Meine Reise in die Welt der Gewuerze
seinem Vater und seiner Großmutter alles über Gewürze gelernt, studiert nebenbei Wirtschaft und beantwortet im Lager des Familienbetriebs, einem zugigen Raum in einer Karawanserei um die Ecke, geduldig meine Fragen. Die Kunst des Gewürzhandels besteht in Damaskus darin, gute Mischungen zu kreieren, lerne ich. Die syrische Hausfrau will nicht viele einzelne Gewürze, sondern eine Mischung für Huhn, eine für Fleisch und eine für Fisch kaufen. Jetzt verstehe ich, warum vor Mohammeds Laden so viele Kunden stehen – er hat die besten Gewürzmischungen der Stadt.
Zwei Stunden lang erklärt er mir deren genaue Zusammensetzung, dann packt er mir lauter Kostproben in einzelne Tütchen, beschriftet sie und weigert sich standhaft, Geld dafür zu nehmen. Mir fehlen die Worte.
Die Damaszener Händler sind ein Phänomen. Nicht nur ihre unaufdringliche Art, Geschäfte zu machen, erstaunt mich, sondern noch weit mehr die Tatsache, dass sie mit wenigen Quadratmeter Fläche Großfamilien ernähren. Manche Läden sind nicht mehr als Ausbuchtungen in der Wand mit einem Stuhl und einem Rollladen davor. Andere Händler sind mit dem Verkauf von gerade einmal zwei Produkten reich und berühmt geworden – so wie die Besitzer des legendären und immer proppenvollen Eissalons »Bakdash« im größten Altstadt-Suq, dem Suq al-Hamidiye. Bei »Bakdash« gibt es nichts anderes als Milcheis und Milchpudding, beides mit Rosenwasser abgeschmeckt und mit Pistazien garniert.
Alles, was das Café dafür braucht, sind kleine Löffel und Glasschälchen. Zu trinken gibt es Wasser, das in großen Glaskrügen auf den langen Tischreihen steht. 115 Jahre ist das Familienunternehmen inzwischen alt, und noch immer kommt jeder hierher, vom Präsidenten bis zum einfachen Arbeiter, von der syrischen Großfamilie bis zur deutschen Reisegruppe. Als ich das Milcheis und den Milchpudding probiere, verstehe ich sofort, warum. Und unbedingt will ich das von Generation zu Generation vererbte Geheimrezept der Familie Bakdash entschlüsseln. Von wegen geheim! Der freundliche alte Herr an der Kasse stellt sich als der derzeitige Besitzer vor und lädt mich zu einer Extraportion Pudding ein, um mir das Rezept zu verraten.
Nachdem die Altstadt jahrzehntelang einen Dornröschenschlaf schlief – vergessen von der Welt, vernachlässigt von der Regierung, verschmäht von ihren eigenen Bewohnern –, erlebt sie seit einigen Jahren eine Renaissance. Die Syrer, sagen mir meine Begleiter, finden es wieder schick, abends durch die engen Gassen zu flanieren und in traditionellem Ambiente essen zu gehen. Viele der für Damaskus typischen arabischen Hofhäuser sind inzwischen in Restaurants, Cafés und kleine Hotels umgewandelt worden, in deren Innenhöfen man fantastisch entspannen kann. Die Gäste sitzen unter Orangenbäumen um einen plätschernden Brunnen herum, lassen sich die Spezialitäten der syrischen Küche schmecken und den Blick über kunstvolle Steinmosaiken, blauweiße Kachelornamente und kostbare Intarsienarbeiten aus Holz und Perlmutt gleiten. Im Innenhof des stadtbekannten Restaurants »Al Khawali« trinke ich den besten alkoholfreien Aperitif von Damaskus: Zitronensaft mit Minze, so fein gemixt, dass er kiwigrün schimmert.
Das beste Lokal der Stadt ist das »Naranj«. Es liegt im Herzen der Altstadt, in der Nähe des römischen Torbogens, und bietet Gerichte aus ganz Syrien an, die man sonst nur bei privaten Einladungen kennenlernt. Denn in den meisten Restaurants von Damaskus werden üblicherweise vor allem Vorspeisen, Salate und gebratenes Fleisch in allen Variationen serviert. In dem sonnendurchfluteten, luftigen Saal des »Naranj« hingegen esse ich Bulgur mit Tomatensauce und Joghurt, im Tongefäß geschmorte Lammhaxe, Mansaf, einen cremigen Reis mit gebratenem Fleisch, Kibbe Labaniye, kleine, mit Hackfleisch und Pinienkernen gefüllte Bulgurbällchen in Joghurtsauce, Sayadiye, Fisch mit Zimtreis, sowie Kibbe Nayeh, ein mit Bulgur verfeinertes Tatar. Es ist großartig – nur viel zu viel. Vom Gastraum aus blickt man in die verglaste, bestens ausgestattete Küche, durch die mich Chefkoch Tarraf Tarraf führt. Während er mir erklärt, warum sein Reis beim Warmhalten nicht zusammenfällt und dass in seine Tomatensauce nur Tomaten, Olivenöl und Zwiebeln kommen, stecke ich meine Finger zum Probieren hier und da in eine Schüssel oder einen Topf. Panisch reichen mir seine offensichtlich zu strengster Hygiene erzogenen Mitarbeiter ständig
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