Meine Reise in die Welt der Gewuerze
erschreckende Karriere des Altersdiabetes als Volkskrankheit auch damit zu tun, dass wir Gewürzen wie Kreuzkümmel und Wacholder viel zu wenig Aufmerksamkeit in unserer Ernährung schenken.
I st es wirklich hier geschehen? Bin ich tatsächlich an jenem Ort, an jener Stelle, die mir aus dem Religionsunterricht noch so vertraut ist und mir immer einen kalten Schauer über den Rücken jagte? Ich kann es gar nicht glauben und schaue meine Begleiter fragend an. Doch sie nicken nur und sagen: »Genau hier ist es gewesen.« Hier floh der Apostel Paulus, nachdem er nicht mehr Saulus sein wollte, in einem großen Weidenkorb über die Stadtmauer von Damaskus, um seinen Häschern zu entkommen. Und ganz in der Nähe soll auch der Ort sein, an dem Kain seinen Bruder Abel erschlug.
Ich bin in der ältesten durchgängig besiedelten Stadt der Welt. Das lerne ich mit ehrfürchtigem Staunen von meinen Begleitern. Seit 5000 Jahren leben ununterbrochen Menschen in der syrischen Hauptstadt, und bei der Aufzählung all der Völker, denen das Gebiet des heutigen Syrien Heimat war, wird mir ganz schwindelig: Sumerer, Akkader, Amoriter, Hethiter, Babylonier, Assyrer, Aramäer, Perser, Griechen, Römer, Byzantiner, Omayyaden, Abbasiden, Fatimiden, Ayyubiden, Mamelukken, Osmanen – sie alle haben hier ihre Spuren hinterlassen und Damaskus im Laufe der Jahrtausende zu einer weltoffenen, toleranten Stadt werden lassen. Heute ist sie der Inbegriff des Morgenlands und ein Ort, an dem Christen und Muslime ganz selbstverständlich friedlich zusammenleben.
Die Altstadt kommt mir vor wie die Kulisse für »Tausendundeine Nacht«. Hier schlägt nicht nur, hier pocht das Herz des Orients – Berge von Gewürzen lagern in Karawansereien, Händler feilschen mit Hausfrauen, und Laufburschen rumpeln mit voll beladenen Handkarren über das holprige Pflaster enger Gassen.
Hier stehen Moscheen und Kirchen seit Jahrhunderten Seite an Seite, und hier liegt der große Sultan Saladin begraben, Sinnbild des edlen orientalischen Herrschers, der strahlendste Held des Morgenlands – keinen Steinwurf entfernt von jenem Sarkophag, der den Kopf von Johannes dem Täufer enthalten soll. Und in Damaskus spürt man bis zum heutigen Tag, dass sich in der Stadt zwei uralte Handelsrouten kreuzten: die Seidenstraße von Ost nach West und die Weihrauchstraße von Süd nach Nord. Während auf der Seidenstraße neben Stoffen vor allem Gewürze, Pelze, Keramik, Jade, Bronze und Eisen aus China und Südostasien den Nahen Osten erreichten, kam auf der Weihrauchstraße das begehrte Harz aus dem heutigen Oman über die Arabische Halbinsel und Jordanien nach Gaza und Damaskus.
Auf Seide, Weihrauch und Gewürze stoße ich bei meinem Streifzug durch die Altstadt, die bis heute in verschiedene Suqs aufgeteilt ist, schattige Gassen, in denen jeweils ähnliche Produkte verkauft werden. Auf den Ehrenplätzen direkt an der prächtigen Omayyaden-Moschee, der ältesten Moschee der Stadt, drängen sich die Suqs mit Stoffen, Gold und Gewürzen, weil diese Waren schon immer als besonders wertvoll galten. Hier finde ich die älteste Naturheilmittelapotheke von Damaskus, in der ich von den Gewürzapothekern über die luststeigernde Wirkung von Nelken, Zimt und Ingwer aufgeklärt werde. Und einige Ecken weiter wartet schon der Stoffhändler Hassahn Zahabi auf mich, der mir die wunderbaren floralen Muster der als Damast bekannt gewordenen Damaszener Seidenstoffe erklärt.
Hassahn ist es auch, der mir die Omayyaden-Moschee zeigt. Das ist eine Ehre, denn der kleine Mann mit der großen Brille hat schon Fidel Castro, Tony Blair, François Mitterrand und viele andere Staatsgäste durch das Gotteshaus geführt. Auf Strümpfen stehen wir im riesigen, mit Teppichen ausgelegten Gebetssaal vor dem Schrein mit dem Kopf Johannes' des Täufers, doch statt sakraler Andacht herrscht eine angenehm gedämpfte Ruhe. Ich kann kaum glauben, wie entspannt die Atmosphäre hier ist. Männer und Frauen spazieren durch den Saal, manche beten, einige lehnen sich gegen die Säulen und ruhen sich aus. Wieder andere lesen im Koran oder unterhalten sich leise, zwischendrin springen sogar Kinder herum. Im Vergleich zu den katholischen Kirchen meiner bayerischen Heimat geht es hier beneidenswert locker zu – ein Jammer ist das für uns, denke ich still, während mir Hassahn erzählt, wie er im Jahr 2000 Papst Johannes Paul II. zum Schrein des Johannes' geführt hat. Damals betrat zum ersten Mal in der
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