Meine Reise in die Welt der Gewuerze
und nicht aufgeschrieben.
Deswegen bin ich am nächsten Morgen auch mit Aziza verabredet, einer Köchin aus Marrakesch, die in ihrer schmalen Küche mit beeindruckender Sorgfalt und Gelassenheit hantiert. Sie zeigt mir, wie man Couscous so zubereitet, dass er locker wie Pulverschnee bleibt: In einer großen Tonschale verteilt sie die Grießkörner, benetzt sie mit Wasser und verreibt sie zwischen den Händen, bis sich alle Körner voneinander lösen. Anschließend fügt sie noch einmal Wasser hinzu, damit der Couscous quellen kann. Erst danach gibt Aziza ihn in den Siebeinsatz der Couscousière, in deren unteren Teil schon Gemüse in einer Brühe köchelt. Zwanzig Minuten lang zieht er im Gemüsedampf, anschließend beginnt die Prozedur von vorne: heißen Grieß in die Schale schütten, mit eingeölten Händen durcharbeiten, zurück in den Siebeinsatz füllen, wieder über den Dampf setzen. Das wird im Abstand von je zwanzig Minuten zweimal wiederholt, bis der Couscous fertig ist.
Zu guter Letzt weiht mich Aziza in das Geheimnis ihres Blätterteigpfannkuchens ein. Wieder kommt die große Tonschale zum Einsatz. Zunächst knetet sie darin die Zutaten für den Hefeteig zusammen, lässt ihn gehen und teilt ihn in fünfzehn Bällchen, die alle einzeln verarbeitet werden. Dann platziert sie einen Wasserkrug in der Schale, um die Teigportionen immer wieder mit Wasser zu benetzen. Erst nach viermaligem Flachdrücken und Falten landet das nun rechteckige Teigstück in der Pfanne. Nur so erhält der Pfannkuchen seine feine, blättrige Konsistenz. Ein Geheimnis der marokkanischen Küche, so viel ist mir jetzt klar, besteht in der aufwendigen und sorgfältigen Zubereitung selbst der schlichtesten Dinge.
In einer ganz anderen Liga, aber nach denselben Grundgedanken wie Aziza kocht Zakia Ait Boulahcen, Chefköchin des Restaurants im eleganten Hotel »Dar Rhizlane« in der Villengegend L'Hivernage. Sie kennt die französisch inspirierte Variante der marokkanischen Küche, wie sie in den besten Restaurants der Stadt serviert wird, buchstäblich von Kindesbeinen an: Ihre Mutter und auch ihre Großmutter waren Köchinnen in Marrakeschs legendärem Hotel »La Mamounia«, das der König von Marokko 1923 seinen Söhnen als Spielplatz für alle erdenklichen Freuden schenkte. Erst jetzt fällt mir auf, dass in Marokko erstaunlich viele Frauen als Profis am Herd stehen. Zakia bestätigt das: »Kochen ist eine traditionell weibliche Aufgabe«, sagt sie, »während Männer nur für die Zubereitungen unter freiem Himmel wie das Grillen und für den Tee zuständig sind.«
Sie ist in ihrer Küche ein Derwisch, vor dem man sich besser in Acht nimmt. Unter ihrem temperamentvollen Kommando werden Hähnchen mit eingelegten Zitronen geschmort, Auberginen mit Mandeln gefüllt, Mairübchen mit Kardamom vermählt und Karotten mit Vanille geadelt. Aus dem Zusammenklang der vielen Gewürze in ihrer heimatlichen Küche löst Zakia also einzelne heraus und kombiniert sie gezielt mit bestimmten Produkten, um europäische Gaumen langsam an die ganze Geschmacksvielfalt Marokkos zu gewöhnen. Und wieder lerne ich etwas: Mir ist klar geworden, welches riesige Potenzial in der Verschmelzung westlicher und maghrebinischer Traditionen liegt – nicht nur für Zakia, sondern auch für mich.
Mit diesem wunderbar inspirierenden Gedanken verlasse ich Marrakesch, doch für einen Abstecher will ich mir unbedingt noch Zeit nehmen: Ich besuche eine Safranplantage, um die Ernte jenes Gewürzes mitzuerleben, das bekanntermaßen alle Sorgen vertreibt. Sie muss in aller Herrgottsfrühe stattfinden, denn nur solange die Blüten des Safrankrokus geschlossen sind, darf er gepflückt werden. Sobald sie sich öffnen, verlieren die wertvollen Staubfäden ihre geschmackliche Intensität. Es ist ein Knochenjob. Frauen kauern mit krummen Buckeln im kalten Morgentau zwischen den Pflanzen, knipsen blitzschnell mit den Fingern die Blüten ab und legen sie in weite Körbe. Sobald eine der zwei mal drei Meter großen Parzellen abgeerntet ist, gehen sie in ein nahe gelegenes Haus, leeren ihre Körbe auf große, niedrige Tische, setzen sich rundherum und lesen aus jeder Blüte die drei rötlichen Safranfäden heraus, einen nach dem anderen, mit unendlicher Geduld wie lauter marokkanische Aschenputtel, denen keine fleißigen Tauben helfen. Das Häufchen, das von dem Blütenberg schließlich übrig bleibt, wiegt keine fünfzig Gramm. Wenn es getrocknet ist, werden es gerade
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