Meine Reise in die Welt der Gewuerze
noch fünfzehn Gramm sein – so wahnsinnig viel Mühe für fünfzehn Gramm Safran! Wer das je gesehen hat, weiß, welchen Respekt Gewürze verdienen. Ich bin sehr froh, es zu wissen.
Aufgezeichnet von Claudia Teibler.
HUNDERTTAUSEND NACHTIGALLENZUNGEN
Das Römische Reich und die Lust an der Dekadenz
D as römische Imperium war ein Glücksfall der Geschichte. Fast ein halbes Jahrtausend lang, etwa von Christi Geburt bis zum Untergang Roms im 5. Jahrhundert, herrschten von Galiläa bis Britannien, von der Iberischen Halbinsel bis zum Schwarzen Meer, von der Libyschen Wüste bis zum Limes in Germanien Frieden und Wohlstand, und das Dasein war – zumindest für die freien Bürger – so angenehm wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Die Barbaren wurden zivilisiert, der römische Lebensstandard wurde zum Maß aller Dinge, und die halbe Welt sprach nun Latein. Rom war der Mittelpunkt des Abendlands, eine Millionenstadt, die sogar eine Berufsfeuerwehr besaß und einen Circus Maximus, in dem 250 000 Menschen die Wagenrennen verfolgen konnten. Die Römer bauten überall luxuriöse Badeanstalten, legten ein Abertausende Kilometer langes Straßennetz an, machten ganze Landstriche urbar und verbreiteten den Weinbau in halb Europa. Vor allem aber in der Kunst des Kochens und der Meisterschaft des Würzens erreichte man ein fabelhaftes Raffinement – wieder gingen Zivilisation, Kultiviertheit und Gewürze quasi Hand in Hand durch die Geschichte.
Allerdings waren die Römer am Anfang ihres Aufstiegs eher anspruchslose Esser. Erst die Kriege gegen das hellenistische Griechenland öffneten ihnen im 2. Jahrhundert vor Christus die Augen. Sie kamen in Kontakt mit der griechischen Kochkunst, staunten nicht schlecht und beschlossen, in ihrem Reich eine kulinarische Revolution anzuzetteln: Künftig sollten alle Belange des Kochens höchste Wertschätzung genießen. Die Revolution glückte, die Römer verwandelten sich in leidenschaftliche Gourmets, jeder bessere Haushalt leistete sich einen guten Koch, und die Meister ihres Fachs genossen ungeheures Ansehen. Für talentierte Köche, die immer Sklaven waren, wurden höhere Preise gezahlt als selbst für die besten Verwalter. Und bei den Spitzenkräften gab es kein Halten mehr. Der römische Historiker Sallust bot für den Koch des Cassius Nomentamus unfassbare 100 000 Sesterzen – ein Landarbeiter hätte fast siebzig Jahre lang für diese Summe arbeiten müssen, denn er verdiente nur vier Sesterzen pro Tag.
Der Germane ist wirklich kein Gourmet
Rom nutzte weiterhin die Handelsrouten der Griechen und Phönizier, spannte aber gleichzeitig ein dichtes Netz an Verkehrswegen kreuz und quer durch das Imperium. Dadurch gelangten Gewürze und Kräuter selbst in die entlegensten Winkel des Reichs, die dort bis dahin völlig unbekannt waren. So wurden mediterrane und exotische Gewürze nördlich der Alpen populär. Die Römer lebten in Gallien, Germanien und Britannien in großen Landhäusern, die »Villa rustica« hießen und immer auch einen Kräuter- und Gewürzgarten hatten. Dort wuchsen Wunderpflanzen wie Melisse, Dill, Bohnenkraut oder Borretsch, von denen die Gallier oder Germanen noch nie etwas gehört hatten – und die sie begeistert in ihre Küche aufnahmen. Das zeigt sich daran, dass viele deutsche Bezeichnungen für Kräuter und Gewürze aus dem Lateinischem abgeleitet sind, etwa Pfeffer, Zimt, Fenchel und Minze.
Wie bitter nötig die kulinarische Zivilisierung der germanischen Barbaren durch die Römer war, kann man beim Historiker Tacitus nachlesen. Er schrieb im 1. Jahrhundert mit einer gewissen Verachtung in seiner »Germania«, einer Schrift über Sitten und Gebräuche unserer Vorfahren: »Ihre Nahrung ist schlicht. Ohne Aufwand, ohne Raffinesse vertreiben sie den Hunger.«
Sie kommen mit Gold an und fahren mit Pfeffer ab
Der Handel mit Gewürzen erreichte in der Blütezeit Roms unfassbare Ausmaße und war ein Garant für den Wohlstand des Imperiums. Hundert Millionen Sesterzen sollen die Römer jedes Jahr für Würzmittel ausgegeben haben, nach heutigem Verständnis mehrere Milliarden Euro. Das schreibt kein Fantast, sondern der sehr ehrenwerte Plinius der Ältere, ein weit gereister römischer Offizier und Flottenadmiral, der 79 nach Christus beim Ausbruch des Vesuv in Pompeji starb, weil er dort die Rettung der Menschen organisieren sollte. In seiner »Naturgeschichte« nehmen Gewürze wie Kardamom, Zimt oder Ingwer einen breiten Raum ein, oder auch
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