Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
Vom Netzwerk:
die Apotheke in der vierten Generation führt, hat in Aachen studiert. Wenn ich schon einen Gewürzapotheker vor mir habe, will ich auch gleich sein Können testen. Ich sage ihm, dass ich leichte Kopfschmerzen habe, der Wetterwechsel von München nach Marrakesch, die Müdigkeit, man kennt das ja. Sofort füllt Ahmed ein paar schwarze Körner in ein Tuch, dreht es zusammen, reibt damit ein paarmal energisch über seinen Handrücken und hält mir das Ganze unter die Nase. Ich rieche daran, erkenne sofort, dass es Schwarzkümmel ist – und spüre genauso schnell, wie mein Kopf immer klarer wird. Ahmed hat noch eine Menge anderer heilsamer Tricks auf Lager: eine Prise geriebene Granatapfelschale gegen Völlegefühl, eine Mischung aus Arganöl, Arnika und Lavendel zum Einreiben bei Rückenschmerzen – lauter Rezepte, die bis ins 19. Jahrhundert bei uns gang und gäbe waren. Doch dann verschwand das Wissen um die Heilkräfte von Gewürzen. Oder besser gesagt: Wir haben es mutwillig weggeworfen. Zu Ahmed Beharat kommen die Menschen nicht nur, wenn es ihnen schlecht geht, sondern auch, wenn sie es sich gut gehen lassen wollen. Und so gehört es zu den vornehmsten Aufgaben des Apothekers, für Hausfrauen und Hobbyköche Gewürze zu mischen, allen voran das berühmte Ras-el-Hanout, Marokkos Leib-und-Magen-Mischung. Bis zu fünfunddreißig verschiedene Zutaten kann sie enthalten.

     
    Bei Ahmed gehören unter anderem schwarzer Pfeffer, Zimt, Kreuzkümmel, Kurkuma Sternanis, Lavendel, die Blüte des Muskatbaums, Safran, Oregano und Piment dazu. Alle Ingredienzen werden sorgfältig auf einem Teller angeordnet und danach abgefüllt – aber meistens nicht gemahlen. Das machen die Hausfrauen erst zu Hause in einem Messingmörser, damit das Ras-el-Hanout immer frisch ist.
    In einer Ecke der Apotheke sehe ich zwei seltsame Mühlen. Das könnten Arganmühlen sein, mit denen dieses kostbare Öl gewonnen wird, das auch ich so gerne benutze. Ich frage Ahmed, und er bestätigt meine Vermutung lächelnd. »Ganz richtig«, sagt er, »die Mühlen sind keine Dekoration, sondern sollen meinen Kunden signalisieren, dass ich Arganöl verkaufe. Wir nennen es ›das marokkanische Gold‹, weil es für uns beste Öl der Welt ist.« Er erklärt mir, dass es ausschließlich in Südmarokko zwischen Essaouira, Agadir und Taroudant gewonnen wird, weil nur dort der Arganbaum wächst. Aus seinen Früchten wird das Öl gepresst. Wie genau das geschieht, ist sehr interessant und nicht ganz so appetitlich: Ziegen sind als einzige Tiere in der Lage, auf die stacheligen Bäume zu klettern. Sie fressen die Früchte und scheiden später deren Kerne aus. Dadurch werden diese mandelartigen Kerne, die zwölfmal härter sind als Haselnüsse, so weich, dass sie von Hand gemahlen werden können – eine mühevolle Arbeit, die den stolzen Preis dieses einzigartigen Öls rechtfertigt. Selbstverständlich nehme ich eine Kostprobe mit und auch noch etwas von dem wundersamen Schwarzkümmel.
    Draußen verschlingt mich sofort der Suq. Es ist ein Sog, dem sich nichts und niemand widersetzen kann. Die Altstadt von Marrakesch, die mit ihren 600 Hektar Fläche als die größte Nordafrikas gilt, bombardiert ihre Besucher mit so vielen Eindrücken, dass sich die Sinne erst allmählich darauf einstellen können. Alles schwirrt hier in den engen Gassen durcheinander: feilschende Händler, knatternde Mofas, blökende Schafe; Lastenträger, die sich laut rufend den Weg für ihre Eselskarren bahnen; Zigarettenverkäufer, die pausenlos mit Geldmünzen in der Hand klimpern; Silberschmiede, die ihren jahrhundertealten Rhythmus dengeln; Drechsler, die minutiös Holzstangen verzieren. Und immer wieder öffnet sich die Altstadt zu Marktplätzen wie dem Rahba Lakdima mit seinen Ständen voller duftender Kräuter oder zu Riesenplätzen wie den Djemaa el Fna, dem berühmtesten Platz von Marrakesch mit seinen Couscous-Küchen, Schlangenbeschwörern, Affendompteuren, Geschichtenerzählern, Schalmeienspielern, Bauchtänzerinnen – es ist ein einziger Rausch für Augen, Ohren, Nase.

     
    Ich komme bei einem Metzger vorbei, der mir lauthals ein halbes Lammböcklein anpreist. »Schau her, das Gemächt hängt noch an dem guten Tier, das ist der beste Beweis für seine Qualität.« Ich sehe mit ungläubigem Staunen den Gerbern zu, die in ihrem Viertel wie seit Jahrhunderten mit Händen und bloßen Füßen das Leder in übel riechenden Trögen walken und färben, ein Bild aus einer Zeit, die

Weitere Kostenlose Bücher