Meine Reise in die Welt der Gewuerze
Maßlosigkeit war vernünftig, weil vielleicht schon der Sensenmann vor der Tür stand und es doch ein Jammer wäre, mit einer vollen Gewürzvorratskammer zu sterben. Andererseits konnten gerade die Gewürze der Garant dafür sein, dass der Sensenmann gar nicht erst anklopfte.
Die Kirche aber war die strenge Mahnerin, die zum Maßhalten aufrief, die den Menschen Einhalt gebot, indem sie ihnen für ein gott- und zügelloses Leben die ewige Verdammnis androhte. Eine zentrale Rolle spielte dabei das Essen. Die Kirche sah einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Ernährung und Tugendhaftigkeit. Für sie war es ganz einfach: Schlemmerei führt zu Wollust und anderen Todsünden, wobei die Gewürze, vor allem solche mit luststeigernder Wirkung, besonders heftig verteufelt wurden.
Allerdings predigte der Klerus gerne Wasser und trank selbst viel lieber Wein – Papst Johannes XXII. zum Beispiel war so freundlich, zu Weihnachten jeden seiner Kapläne mit je acht Pfund Ingwer und Pfeffer und vier Pfund Gewürznelken zu beschenken. Kirchen und Klöster wurden zu den glühendsten Verfechtern der Feinschmeckerei und garantierten mit ihrer Gier nach Gewürzen den Fortbestand des Gewürzhandels. Der heilige Bonifatius ließ sich große Mengen an Pfeffer aus Rom schicken. Der karolingische Bischof Theodulf gab offen zu, dass ihm gewürzte Speisen besser schmeckten als Brei und Sauermilch. Und es ist eine hübsche Ironie der Geschichte, dass die älteste erhaltene Abschrift des berühmtesten römischen Kochbuchs im 9. Jahrhundert im Kloster von Fulda verfasst wurde – Marcus Gaius Apicius′ »De re coquinaria« gefiel den Mönchen offensichtlich bedeutend besser als Askese. Gar nicht lustig fand das der Minnesänger Walther von der Vogelweide, der voller Verachtung dichtete: »Drum esst nur, Pfaffen, Hühner, trinket Wein / und lasst die dummen deutschen Laien fasten.«
Chinas Heißhunger auf Gewürze
Der Handel mit Gewürzen wurde im Lauf des Mittelalters immer intensiver und erlebte seine erste Blüte mit dem Beginn der Kreuzzüge Ende des 11. Jahrhunderts. Die Haupthandelswege blieben dabei im Wesentlichen dieselben wie seit Jahrtausenden. Nelken und Muskat aus Indonesien kamen auf chinesischen oder malaiischen Schiffen nach Ceylon. Dort übernahmen persische und arabische Kaufleute die kostbare Ware, luden an der Malabarküste im Südwesten Indiens Pfeffer und Ingwer hinzu und segelten durch das Rote Meer in Richtung Alexandria und Palästina, wo schon venezianische Händler warteten. Manchmal waren es auch genuesische Kaufleute, die aber im Vergleich zu den Venezianern einen weit geringeren Anteil am Gewürzhandel hatten.
Von Venedig aus ging es auf dem Landweg weiter: entweder über den Brenner, Innsbruck, Augsburg und Nürnberg nach Nord-, Mittel- und Osteuropa oder über den Gotthard und Basel ins Rheinland, nach Flandern, Frankreich und auf die Britischen Inseln. Manche Kaufleute segelten auch über Gibraltar nach England, Skandinavien und ins Baltikum. Der zweite bedeutende Handelsweg führte von China über die Seidenstraße nach Basra, Täbris und Rostow am Don oder über den Indus, den Khaiberpass, Kandahar nach Asow und dann wiederum nach Rostow. Dort übernahmen Hanse-Kaufleute den Weitertransport der Gewürze nach Nordeuropa. Auf diesen Routen spielte sich allerdings nur ein Teil des Welthandels mit Gewürzen ab, denn Europa war nicht der einzige und schon gar nicht der größte Absatzmarkt. Der Heißhunger der Chinesen auf Gewürze, vor allem auf Pfeffer, war noch viel größer. Glaubt man dem italienischen China-Reisenden Marco Polo, wurde um 1300 im chinesischen Hafen Zaitoun, dem heutigen Quanzhou, hundert Mal mehr Pfeffer umgeschlagen als in Alexandria.
Aufstieg und Fall der stolzen Republik Venedig
Der Beruf des Kaufmanns war im Mittelalter brandgefährlich. Seeräuber und Wegelagerer, Krankheiten und Naturgewalten machten sein Leben zum Vabanquespiel. Ein Gewürzhändler stand immer mit einem Bein im Grab, und manchmal blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf die andere Seite zu schlagen. Der große italienische Dichter Giovanni Boccaccio berichtet in seinem »Dekameron« von einem Kaufmann, der ausgeraubt wird, in seiner Not den Beruf des Piraten ergreift und Jahre später schwerreich nach Hause zurückkehrt. In Genua, der stärksten Handelsmacht im westlichen Mittelmeer, wurde 1344 ein Gesetz erlassen, das es den Genueser Kaufleuten verbot, unbewaffnet nach Mallorca oder Sizilien zu reisen.
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