Meine Reise in die Welt der Gewuerze
Männer hatte sie ihre Wirkung: Man hielt sie für potenzsteigernd – die Rotlichtviertel im Mittelalter wurden aus gutem Grund »Petersiliengasse« genannt. Über kaum ein anderes Würzmittel gab es mehr Sprichwörter als über dieses Kraut: »Petersilie hilft den Männern aufs Pferd und den Frauen unter die Erd«, lautet einer der Sinnsprüche.
Petersilie war nicht das einzige Aphrodisiakum aus dem mittelalterlichen Gewürzgarten. Den meisten Spaß versprachen sich die Menschen seit der Antike und erst recht im Mittelalter vom Pfeffer, wobei der Kubebenpfeffer das begehrteste Potenzmittel war. Nach einer Redensart musste man nur mit Kubebenpfeffer gewürzten Wein trinken, und prompt konnte man das »eheliche Werck erreitzen«. Junge Frauen badeten auch gerne in Liebstöckel, um die Gunst der Burschen zu gewinnen. Tragischer war die Wirkung des Rosmarins, den man in manchen Regionen Deutschlands als »Gedenkemein« kannte. Denn er war als immergrüne Pflanze das Symbol ewiger Liebe – aber genauso des Todes. In Shakespeares »Romeo und Julia« spielt Rosmarin eine zentrale Rolle als Liebes- und Todessymbol. So wird die scheintote Julia auf Geheiß ihres Vaters mit Rosmarin bedeckt.
Der schreckliche Tod des Safranfälschers Jobst Findeker
Gewürze kosteten im Mittelalter ein Vermögen. Für ein Pfund Muskatnuss musste man im 14. Jahrhundert so viel zahlen wie für sieben fette Ochsen. Ein Pfund Safran kostete damals nicht weniger als ein Pferd; heute ist es übrigens noch immer so. Deswegen blieben Gewürze ein Privileg der Oberschicht – und waren immer wieder eine Verlockung für Betrüger. Pfeffer wurde mit Buchweizen, Nussschalen oder Olivenkernen gestreckt. Am lukrativsten war der Betrug mit Safran, dem teuersten Gewürz der Welt. Deswegen waren die Strafen für diese Schandtaten am drakonischsten. In Nürnberg wurde 1444 der »Safranschmierer« Jobst Findeker auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Und 1499 ließ der Nürnberger Rat dem Safranfälscher Hannes Bock beide Augen ausstechen.
In den besseren Kreisen des Mittelalters war es ein Ausweis von Reichtum und Macht, wenn man verschwenderisch mit Gewürzen umgehen konnte. Vor allem dem Hochadel war dabei jede Bescheidenheit fremd. Als Georg der Reiche, Herzog von Bayern, 1457 heiratete, wurden für das Hochzeitsmahl unfassbare 386 Pfund Pfeffer, 286 Pfund Ingwer, 205 Pfund Zimt und 85 Pfund Muskatnuss verbraucht. Und als Richard Löwenherz von England Ende des 12. Jahrhunderts seinen Königskollegen in Schottland besuchte, bekam er als Gastgeschenk jeden Tag zwei Pfund Pfeffer und vier Pfund Zimt. Zum guten Ton gehörte es auch, bei Festmahlen goldene Tabletts mit Vertiefungen herumzureichen, in denen sich verschiedene Gewürze zum Nachwürzen befanden.
Wollte man sich vor seinen Gästen nicht blamieren, musste nicht nur der Hochadel tief in die Gewürzkiste greifen. Ein spätmittelalterliches Haushaltsbuch nennt als unverzichtbare Ingredienzen für ein bürgerliches Festmahl mit vierzig Personen: »Ein Pfund Colombine-Pfeffer, ein halbes Pfund gemahlenen Zimt, zwei Pfund Zucker, eine Unze Safran, ein Viertelpfund Gewürznelken und Malagettapfeffer, ein Achtel Pfund Pfeffer, ein Achtel Pfund Galantwurzel, ein Achtel Pfund Muskat, ein Achtel Pfund Lorbeer.« Beinahe das Niveau spätrömischer Dekadenz erreichen die Rezepte im Kochbuch »Maister Hanns des vom Wirtenberg Koch«, das Mitte des 15. Jahrhunderts vermutlich vom Leibkoch des Grafen Ulrich von Württemberg geschrieben wurde. Dort finden sich so ausgefallene Kreationen wie Mandellebkuchenhirnwurst, gebackener Rehkopf, Otterschwanz mit Pfeffer und Ingwer, Hühner mit Quitten und Salbei oder »Grünes Fleisch«, das mit Petersilie, Bilsenkraut und Salbei gefärbt war.
Der Leibarzt isst immer mit
Gewürze waren nicht nur wegen ihrer konservierenden und geschmacksfördernden Wirkung, sondern auch als Färbemittel während des gesamten Mittelalters beliebt – ganz in der Tradition der arabischen Haute Cuisine. Besonders begehrt waren Gold- und Rottöne auf der Basis von Safran. Von den Kalifen übernahm der europäische Hochadel mit besonderer Leidenschaft die Sitte, in Anwesenheit seiner Leibärzte zu speisen. Olivier de la Marche, ein Kammerherr Herzog Karls des Kühnen von Burgund, beschreibt 1473 den Ablauf eines Festessens und erwähnt dabei den herzoglichen Leibarzt: Er begutachtet die Speisen und empfiehlt seinem Herrn jene, die seiner Gesundheit nach den Regeln der Viersäftelehre von
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