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Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
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Und Venedig glaubte seinen geschäftlichen Erfolg auch göttlichem Beistand und der glücklichen Schicksalsfügung zu verdanken, dass es die Reliquien des heiligen Nikolaus von Myra verwahrte – er ist der Schutzheilige der Kaufleute. Doch das Risiko lohnte sich. Gewürzhändler konnten ungeheure Vermögen anhäufen. Man vermutet, dass sich zum Beispiel der Preis des Pfeffers aus dem Weg von seinen Anbaugebieten in Indien bis zum Käufer in Europa verdreißigfachte. Jakob Welser stieg dank seines florierenden Pfefferhandels 1475 zum reichsten Bürger Augsburgs auf. Der Nürnberger Kaufmann Hans Paumgartner wiederum handelte allein im Jahr 1501 mit 4582 Pfund Safran zum Preis von 9824 Rheinischen Gulden – das Jahresgehalt eines hohen Beamten betrug damals 200 Gulden, der Preis für ein Stadthaus 300 Gulden.
    Die alles beherrschende Macht im Gewürzhandel war Venedig. Aufstieg und Niedergang der stolzen Republik verliefen im Gleichschritt mit dem Pfefferkonsum in Europa: Als er im 12. Jahrhundert gewaltig zunahm, begann Venedigs kometengleiche Karriere – auf dem Gipfel ihrer Macht soll die Serenissima 1000 Tonnen Gewürze pro Jahr umgeschlagen haben. Venedig monopolisierte dank seiner militärischen Macht und seines diplomatischen Geschicks große Teile des Gewürzhandels und wurde darüber zu einer der reichsten und schönsten Städte der Welt. Doch als der Hunger nach Pfeffer im 16. Jahrhundert über den neuen Seeweg nach Indien gestillt wurde, war es mit Venedigs Herrlichkeit fast schlagartig vorbei.

    Der Garten Eden ist ein Gewürzgarten
    Die Menschen im europäischen Mittelalter waren so verrückt nach Gewürzen, dass sie einer Stadt wie Venedig zu märchenhaftem Reichtum verhalfen, Kriege um Handelsrouten führten, in die Ungewissheit des Meers hinaussegelten und damit buchstäblich eine Neue Welt schufen. Diese Gier lässt sich nicht allein mit dem Gaumen und der Gesundheit erklären. Auch der Geist spielte eine fundamentale Rolle. Die 1096 beginnenden Kreuzzüge brachten das Abendland in direkten Kontakt mit dem Heiligen Land, dem Morgenland – mit Asien also, und genau dort lag in der imaginären Geografie des Mittelalters das Paradies. In den Beschreibungen des himmlischen Jerusalem duftet es gleichfalls überall nach exotischen Wohlgerüchen. Die Gewürze kamen direkt aus dem irdischen Paradies – und sie zu kosten war wie das Naschen vom ewigen Leben.
    Heidnische Höllenhunde mit tadellosen Manieren
    Das wollte auch ein unbekannter Dichter, der im 11. Jahrhundert das »Buch Genesis«, das erste Buch der Bibel, ins Deutsche übertrug. Zunächst hielt er sich getreu an die biblische Vorlage, doch dann wich er plötzlich von ihr ab und schrieb: »Zimt und Zitwerwurzel, Galgant und Pfeffer, Balsam und Weihrauch, auch Thymian wächst dort und so viel Myrrhe, wie man nur zu pflücken vermag. Safran und Ringelblume, Dill sowie Quendel, mit dem Fenchel der liebliche Lavendel, die stattliche Pfingstrose, Salbei und Weinraute, Narde und Balsamminze, deren Duft breitete sich weit aus, Minze und Sellerie, Kresse und Lattich, Kaiserwurz und Zimtkassie haben ebenfalls einen süßen Duft« – nichts anderes als ein Gewürzgarten ist also der Garten Eden.
    Die Kreuzzüge müssen für Kleriker und Ritter eine doppelte Verheißung gewesen sein: Sie konnten das Grab Christi des Erlösers aus der Hand der Gottlosen befreien – und sie konnten sich den Zugang zur paradiesischen Quelle der Gewürze sichern. Die Kreuzzüge hatten aber noch einen ganz anderen, unbeabsichtigten und höchst erfreulichen Effekt: Sie sorgten für einen Kultivierungsschub dank des Kontakts mit der arabischen Welt, wie ihn die Europäer seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt hatten. Das Abendland wurde quasi in die Zange genommen: Im Westen ließ es sich vom islamisch beherrschten Spanien inspirieren, im Osten von den Kalifen von Bagdad und den Sultanen Ägyptens.
    Der Orient war damals den grobschlächtigen Gesellschaften des europäischen Feudalismus geradezu skandalös überlegen. Und man muss den Kreuzrittern zugutehalten, dass sie ihre Unterlegenheit akzeptierten und die islamische Welt in Fragen des Stils und der Kulinarik bereitwillig zur Leitkultur erhoben. Sie verdammten zwar, ganz wie es der Papst von ihnen verlangte, die Heiden als Höllenhunde – in Pilgerberichten ist zum Beispiel immer wieder vom »verfluchten Volk der Sarazenen« die Rede. Aber sie rühmten auch die Gottlosen als »treffliche hübsche Gesellen in ihrem feinen

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