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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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Freunden, denen Sie offenbar sehr am Herzen liegen und die große Stücke auf Sie halten.«
    Beide Nazukins zwinkerten mir verschwörerisch zu.

[home]
    7
    E uphorisiert von meinem kleinen Erfolg arbeitete ich in den folgenden Tagen die Telefonliste ab, der Sekretariatsservice lieferte neue Namen, mein Terminkalender füllte sich. Keiner der künftigen Kunden mochte am Telefon sagen, worum es ihm ging. Ich nahm es hin. Mit dem ungewohnten Gefühl der Vorfreude sah ich den Verabredungen entgegen.
    Noch während ich überlegte, was ich Herrn Nazukin als Honorar in Rechnung stellen konnte – vierhundert Euro schienen mir durchaus angemessen –, schleppte ein UPS -Fahrer ein enormes Paket in die Kanzlei. Unter dem Packpapier kam ein in Gold gerahmtes Bild zum Vorschein, es maß etwa zwei mal drei Meter, Öl auf Leinwand. Die Formen und Farben des Werks erinnerten vage an einen Sonnenuntergang, vielleicht sollten es auch züngelnde Flammen sein. In der Mitte prangte ein tiefrotes stilisiertes Herz, das aus einem Riss blutete.
    Herrje, dachte ich, ist das kitschig. Ich überlegte, was wohl mein Vater, Sammler erlesener expressionistischer Drucke, dazu sagen würde. Vergnügt beschloss ich, es aufzuhängen. Vorher riss ich den Umschlag, der am oberen Rand klebte, ab und öffnete ihn. Knisternde, nagelneue Banknoten lachten mir entgegen. Die Sache mit den Umschlägen war wohl eine Gepflogenheit unter osteuropäischen Geschäftsleuten.
    Ich zählte das Geld, und mir wurde blümerant. Mit zitternden Fingern blätterte ich fünftausend Euro auf den Tisch. Misstrauisch hielt ich einen Schein gegen das Licht. Soweit ich es beurteilen konnte, war er echt. Drei Mal verwählte ich mich, dann tippte ich Mischas Nummer korrekt ein.
    »Mischa, Entschuldigung, Herr Nazukin, haben Sie mir ein Paket geschickt?«
    »Ja. Stimmt was nicht? Fehlt etwa der Umschlag?«
    »Nein, nein, der Umschlag ist dabei.«
    »Gut, ich hatte dem Fahrer gesagt, was ihn sonst erwartet. Ich hatte den Eindruck, dass er mich verstanden hat.«
    Das glaubte ich sofort.
    »Herr Nazukin, das ist viel zu viel Geld.«
    »Bleiben Sie ruhig bei Mischa, liebe Paula.«
    »Gern. Also, Mischa, das kann ich nicht annehmen. Außerdem muss ich Ihnen unbedingt eine ordentliche Rechnung stellen.«
    »Natürlich können Sie das annehmen. Sie haben unsere Ehe gerettet. Das ist unbezahlbar. Und vielleicht brauche ich noch einmal Ihren Rat. Vergessen Sie bitte nicht, Ihre Mehrwertsteuer auf der Rechnung auszuweisen.« Dann hängte er auf.
    Mehrwertsteuer, dachte ich, na klar, was denn sonst?
     
    In der folgenden Zeit bevölkerten die unterschiedlichsten Menschen meine Kanzlei. Männer und Frauen. Alte und Junge. Reiche und weniger Begüterte. Hausfrauen, Geschäftsleute, Handwerker, Studenten. Russen, Ukrainer, Georgier, Kasachen, Tartaren, Usbeken. Fast alle beglückwünschten mich zu dem geschmackvollen Bild, das nun an der Längswand des Büros hing.
    Ich schlichtete Nachbarschaftsstreitigkeiten, kittete Partnerschaften, half bei verzwickten Immobiliengeschäften, führte verlorene Söhne auf den rechten Pfad zurück, vermittelte zwischen Arbeitgebern und ihren Angestellten.
    Die meisten meiner Klienten steckten mir Umschläge zu. Andere bezahlten in Naturalien. Bald verfügte ich über einen beeindruckenden Vorrat an eingelegten Salzgurken und ukrainischem Speck, und ich zählte auch zu den glücklichen Besitzern einer original mongolischen Jurte.
    Vielen schrieb ich Rechnungen – mit Mehrwertsteuer. Das Geld der anderen, die das nicht wollten, wanderte in eine Containerschublade, aus der ich die Ausgaben des täglichen Bedarfs bestritt. Ich bestellte ein neues, großes Schild für die Kanzlei, das ich jeden Morgen voller Stolz betrachtete. Perlmuttfarben schimmerte es, mit eingeprägten, mattgoldenen Schriftzügen:
     
    Kanzlei Paula Matthes – Anwältin & Mediatorin
     
    Da mir völlig klar war, wer meinen kometenhaften Aufstieg als Lebensberaterin zu verantworten hatte, schwand mit den steigenden Einnahmen meine Wut auf die Polyakows. Dankbarkeit stellte sich ein. Und ein gewisses Verständnis. Denn ich verdiente nicht nur, ich lernte auch.
    Dass in unglaublichen Geschichten oft ein Fünkchen Wahrheit glomm.
    Dass umständliche Umgangsformen und abstruse Ausreden halfen, das Gesicht zu wahren.
    Dass die Familie in der befremdlichen neuen Heimat alles war.
    Dass große Gefühle die Kleinlichkeit des Alltags erträglicher machten.
    Und dass Pünktlichkeit in Deutschland

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