Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
neckischer Pelzstola.
Ich dachte: Ach, du Scheiße!
Ich sagte: »Herr Nazukin?«
Der Hüne nickte.
»Na, dann kommen Sie mal rein.«
Das ungleiche Paar – ihn schätzte ich auf Anfang fünfzig, sie war gut und gern zwanzig Jahre jünger – nahm schweigend vor meinem Schreibtisch Platz.
»Kann ich Ihnen einen Tee anbieten oder einen Kaffee?«
Beide schüttelten den Kopf.
»Vielleicht ein Wasser?«
Eine erneute lautlose Verneinung. Stumm schauten sie mich an.
»Nun, was führt Sie zu mir? Sie sagten, es ginge um Ihre Frau.« Herr Nazukin räusperte sich, nahm endlich die Ray Ban ab und blinzelte mich aus kleinen Schweinsäuglein an.
»Genau. Sie will sich scheiden lassen.«
»Und jetzt brauchen Sie einen Anwalt, der Sie bei dieser Scheidung vertritt?«
Verblüfft guckte er mich an. »Nein, nein. Ich dachte, Sie könnten mit ihr sprechen und ihr den Unsinn wieder ausreden.« Dabei deutete er zaghaft auf seine Begleiterin.
Das war also Frau Nazukin. Ich musterte die Dame, die gelangweilt ihre perfekt manikürten Nägel betrachtete. Ihre Sonnenbrille hatte sie immer noch nicht abgenommen. Jetzt sah ich auch, warum. Unter dem linken Glas war unschwer ein sattes, lila-grünes Veilchen zu erkennen. Mir schwoll die Halsschlagader. Gewalt gegen Frauen – da war er bei mir gerade richtig.
»Herr Nazukin, ich bin keine Eheberaterin. Ich bin Anwältin. Wenn Ihre Frau sich scheiden lassen möchte, ist das ihr gutes Recht.«
»Nein, auf keinen Fall! Sie müssen mit ihr reden. Sie überlegt es sich bestimmt anders«, bettelte Herr Nazukin weinerlich.
Das hatte ich gern, erst die Gattin verprügeln und dann rumjammern: Schatz, es tut mir so leid, mir ist die Hand ausgerutscht, das wollte ich nicht, es wird nie wieder vorkommen, ich liebe dich doch, bitte verlass mich nicht …
Bis zum nächsten Mal.
Die Geschichte kannte ich. Auch aus den wohlanständigen Vierteln, wo die Hausangestellten sich hinter vorgehaltener Hand zuraunten, dass Frau X wieder einmal unglücklich gestolpert und die große Marmortreppe hinuntergefallen sei.
Nun räusperte ich mich energisch. »Frau Nazukin, ich möchte sehr gern mit Ihnen reden. Unter vier Augen.« Sie nickte.
Ihr Mann atmete schwer, zog ein Taschentuch hervor und rieb sich damit seinen Stiernacken.
»Wenn Sie die Zeit dafür haben, jetzt gleich. Ihr Mann kann ja solange einen Kaffee trinken gehen. Und dabei ein wenig nachdenken.« Bei meinen letzten Worten schaute ich ihn streng an.
Herr Nazukin wuchtete sich ergeben von seinem Stuhl und schlich von dannen.
Als die Tür ins Schloss gefallen war, sagte ich leise: »Frau Nazukin, Sie können mir vertrauen. Alles, was Sie mir erzählen, bleibt unter uns, wenn Sie das möchten.«
Wieder nickte sie.
»Sie können aber auch zur Polizei gehen und Anzeige erstatten.«
»Anzeige erstatten? Warum denn?« Sie schob ihre Brille in die langen, dunklen Haare und schaute mich fragend an. Oh, das war wirklich ein amtliches Veilchen.
»Wegen Körperverletzung. Ihr Mann hat Sie geschlagen. Das ist verboten.«
Erstaunt sah sie mich an. »Mein Mann schlägt mich doch nicht.«
»Frau Nazukin, Sie können wirklich offen mit mir sprechen. Haben Sie keine Angst.«
»Ich habe keine Angst.« Sie lachte. Aus vollem Hals.
Meine Irritation wuchs. »Sie wollen sich doch scheiden lassen …«
»Mikhail betrügt mich«, sagte sie düster, »das ertrage ich nicht. Lieber bringe ich ihn um.« Um ihre Worte zu unterstreichen, hieb sie mit ihrer rechten Faust auf meinen Schreibtisch, so dass meine Kaffeetasse gefährlich klirrte.
»Aber Ihr blaues Auge?«
»Ein Versehen. Mischa hat sich nur verteidigt.«
Sie sprang auf, und während sie erregt im Zimmer auf und ab stapfte und ihre Absätze dabei unschöne Spuren im Bodenbelag hinterließen, brach es aus ihr heraus: Seit vier Jahren sei sie nun mit Mischa verheiratet, ihre Liebe seitdem mit jedem Tag gewachsen. Ein guter Mann sei er, ein fantastischer Mann, so sensibel und feinfühlig, so unglaublich attraktiv. Dabei schaute sie mich herausfordernd an.
»Das ist Ihnen doch auch aufgefallen, oder? Wie gut er aussieht?«
Zum Glück wartete sie meine Antwort nicht ab.
So klug sei er, so stark. Und so wohlhabend. Eine seltene Kombination. Eine Kombination, die eine bestimmte Sorte Frau herausfordere und ihren Mann in Versuchung brächte. Ah, wie sie diese Blondinen hasste, die ständig um Mischa herumscharwenzelten.
»Was macht Ihr Mann denn beruflich?«, warf ich ein.
»Er besitzt vier
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