Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Herrn, Frau Matthes?«
»Oh, Frau Hinrichs, es tut mir so leid. Ja, das ist ein Mandant von mir, seine Frau hat die Scheidung eingereicht. Liebeskummer, Sie verstehen?« Etwas Dümmeres fiel mir nicht ein. »Entschuldigen Sie bitte vielmals den Lärm, aber er ist einfach am Boden zerstört.«
»Der arme Kerl«, seufzte Frau Hinrichs und verschwand kopfschüttelnd in ihrer Wohnung.
Erleichtert klappte ich die Tür mit dem Fuß zu und verfrachtete den armen Kerl in mein Bett. Kaum, dass er lag, schlief er schon. Ich zog ihm die Schuhe aus, deckte ihn zu und strich ihm vorsichtig über das Haar. Er grunzte. Ich zog mich aufs Sofa zurück und starrte ins Dunkle.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als Kaffeeduft meine Nase kitzelte und ich die Augen aufschlug, war es taghell. Aus dem Bad drang das Rauschen der Dusche. Der Herr findet sich ja gut zurecht, dachte ich und ging in die Küche. Um mich zu beschäftigen, spülte ich eine Reihe leerer Joghurtbecher aus, um sie anschließend ordnungsgemäß in den gelben Sack zu stecken.
»Paula, du bist wach. Wie schön!« Strahlend und frühlingsfrisch lehnte Artjom am Türrahmen, ein Handtuch um die nackten Hüften geknotet. »Ich war so frei und habe deine Zahnbürste benutzt. Ich hoffe, das stört dich nicht.«
Meine Zahnbürste? In Zeitlupe stellten sich mir die Nackenhaare auf.
Interessiert schaute Artjom über meine Schulter. »Was machst du da?«
»Ich sortiere Müll«, sagte ich.
»Und vorher wäschst du ihn? Ihr Deutschen seid manchmal wirklich komisch.« Gutgelaunt durchsuchte er die Hängeschränke und nahm zwei Tassen heraus. »Wie trinkst du deinen Kaffee, Paula? Mit Milch und Zucker?«
Ich drehte mich um und schmiss ihm einen nassen Joghurtbecher an die Stirn.
Verdutzt rieb er sich den Kopf und lachte. »Paula, so temperamentvoll kenne ich dich gar nicht.«
Ich schnappte den gut gefüllten Gelben Sack und drosch damit auf ihn ein. Der Mistkerl lachte noch immer. Kurz entschlossen klebte ich ihm eine. Jetzt hatte er genug, hielt entschlossen meine Arme fest und schob mich mit stählernem Griff ins Wohnzimmer. Dort fielen wir übereinander her. Wie die Tiere.
Sex hatte mir nie viel bedeutet. Er war eine Abfolge bestimmter körperlicher Bewegungen, die zwangsläufig zu einer Beziehung gehörten. Ab einem bestimmten Alter wurde eben von Männern und Frauen erwartet, dass sie miteinander schliefen. Also taten sie es.
Meine Jungfräulichkeit büßte ich mit siebzehn ein. Im Gartenhaus seiner Eltern quetschte sich ein Jüngling zwischen meine Schenkel. Dank seiner Aufregung überstand ich die Prozedur in wenigen Sekunden. Er ließ mich erstaunt zurück: So ging das also. Keine große Sache. Und keine Ahnung, warum die anderen Mädchen so ein Aufheben davon machten.
Auch die drei Männer vor Bernhard hinterließen keinen bleibenden Eindruck. Bernhard selbst ging die Sache mit dem Sex an, wie er alles in seinem Leben anging: zielgerichtet, ergebnisorientiert, auf das Wesentliche konzentriert. Das Wesentliche war er. Vor dem eigentlichen Akt gönnte er mir ein kurzes Vorspiel, bis er entschied, dass ich bereit war. Dann rollte er sich ächzend auf mich und spätestens nach fünfzehn Minuten herunter.
Nicht einmal vergaß er, vorher seine Kleidung, ordentlich zusammengefaltet, auf einen Stuhl an seiner Bettseite zu legen. Stets löschte er das Licht. Das nahm ich ihm auch nicht übel, denn der nackte Bernhard war nie ein schöner Anblick gewesen. Schon mit Anfang dreißig neigte er zu einer schwabbeligen Weichheit in der Körpermitte, er war stark, wenn auch hell behaart, sogar auf dem Rücken.
Aus Büchern und Zeitschriften wusste ich, dass der Orgasmus ekstatisch zu sein hatte, eine kurze, alle anderen Eindrücke überlagernde Explosion. Nicht, dass ich überhaupt keine Orgasmen kannte. Meine glichen nur eher sanften Wellen, die vom Unterleib ausgehend in konzentrischen Kreisen unaufdringlich durch den Körper schwappten und nicht weiter störten. Ich hätte gut nebenbei eine Akte lesen können. Selbstredend eilten Bernhard und ich danach sofort ins Bad. Wir wuschen uns vorher. Wir wuschen uns hinterher. Hygiene war ihm wichtig.
Mit Artjom war es anders. Schon, dass er sich so gut anfühlte, straff und muskulös, die Haut glatt. Dass er mir Zärtlichkeiten und Schweinereien ins Ohr flüsterte, mich streichelte und biss – an Stellen, die ich im ersten Schreck als unanständig empfand. Dass er bei der Erkundung meines Körpers
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