Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
wiederhergestellt war. Das Fest konnte weitergehen.
Seinen Höhepunkt und krönenden Abschluss fand es in der Morgendämmerung mit einem spektakulären Feuerwerk, das Rostislav auf dem Rasen vor dem Hochhaus entzündete. Es knallte, krachte und blitzte, Raketen zischten pfeifend in den Himmel. Keine zehn Minuten später rasten drei Feuerwehrwagen heran, alarmiert von verstörten Anwohnern, deren Balkonmarkise den Funkenflug nicht überstanden hatte.
Das harmlose Missverständnis war schnell aufgeklärt, den Feuerwehrmännern wurde heiße Suppe serviert, und Rostislav versicherte den Geschädigten, umgehend für Ersatz zu sorgen.
Erschöpft, aber durchaus zufrieden ließ ich mich neben Darya auf einen Stuhl fallen.
»So ein Gluck, Paula, so ein Gluck«, sagte sie und tätschelte meinen Arm.
»Genau, gluck, gluck«, erwiderte ich und stürzte einen Wodka herunter.
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12
A m Morgen nach der Hochzeit huschte ich leise aus dem Schlafzimmer, um den schnarchenden Artjom nicht zu stören, setzte mich in die Küche und betrachtete meinen Ring. Meinen Ehering. Ich war eine verheiratete Frau. Ganz offiziell.
Komisch, dachte ich, fühlt sich genauso an wie vorher. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht ein Gefühl des Erwachsenseins, des Es-geschafft-Habens. Es blieb aus. Ich war immer noch ich. Paula Matthes.
Ich kroch zurück ins Bett und legte meinen Kopf auf Artjoms breite Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte. Im Halbschlaf legte er einen Arm um mich, zog mich an sich und grunzte. Egal, dachte ich, Paula ist zwar noch die Alte, aber der Kerl hier ist funkelnagelneu. Na ja, fast.
Als Artjom gegen Mittag erwachte, ließ ich ihn an meinen philosophischen Überlegungen teilhaben.
»Wir haben geheiratet. Und alles ist wie immer. Unglaublich, oder?«
Er zog die Vorhänge auf und deutete nach draußen.
»Schau mal, der Himmel ist doch rosa. Und Geigen höre ich auch irgendwo.«
»Du Spinner.«
Romantische Sonnenaufgänge hin, Violinenklänge her, der Alltag bekam uns schnell wieder in seine Fänge. Natürlich blieb es an mir hängen, Dankeskärtchen für die Hochzeitsgeschenke zu schreiben. Von den Russen hatten wir fast ausnahmslos Umschläge monetären Inhalts bekommen. Die deutschen Gaben waren Sachgüter. So spendete uns beispielsweise Tante Irmi zehn blütenweiße Damasttischdecken mit eingesticktem Monogramm »P&K«. Polya-Kow, Paula und Konsorten, rätselte ich und legte die schweren Ungetüme nach unten in den Schrank.
Von meinen Eltern bekamen wir einen Gutschein für eine Reise, die wir uns selbst aussuchen durften, unsere Flitterwochen. Ich war gerührt – da hatte sich Vater, der alte Knauser, mal nicht lumpen lassen – und rief Mutter an.
»Mama, das ist ein unglaublich tolles Geschenk. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Danke!«
»Ach, Kind, gern geschehen. Schließlich heiratet man nur einmal im Leben, jedenfalls in meiner Generation. Die Idee dazu hatte übrigens Rostislav. Er meint, es würde uns allen guttun, mal rauszukommen.«
»Uns allen?«
»Na, wir kommen natürlich mit.«
»In unsere Flitterwochen?«
»Familienurlaub, Paula, das wird ein Familienurlaub. Damit wir uns alle noch besser kennenlernen. Hatte ich das nicht dazugeschrieben?«
»Nein, das hast du glatt vergessen …« Nur über meine Leiche, dachte ich und fragte: »Was sagt Papa denn dazu?«
»Der hat im Moment den Kopf voll mit anderen Sachen. Eika ist seit ein paar Wochen ganz komisch und hat so zugenommen. Er ist gerade mit ihr beim Tierarzt.«
»Gut, ich melde mich später noch mal.«
Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Vater zusammen mit den Polyakows einen Urlaub verbringen würde. Wahrscheinlich wusste er noch gar nichts von seinem Glück. Einen Verbündeten hatte ich also, um diesen Plan zu vereiteln.
Als ich ihn am Abend endlich erreichte, konnte er kaum sprechen vor lauter Wut und brüllte mit sich überschlagender Stimme unverständliche Dinge in den Hörer.
»Mensch, Papa, reg dich nicht so auf. Mama und Rostislav meinen’s ja nur gut. Und natürlich fahren wir nicht zusammen in den Urlaub. Das werden wir beide schon verhindern, oder?«
Meine kumpelhafte Tour kam nicht gut an.
»Dieses Mistvieh bring ich um, das schwöre ich dir«, geiferte es am anderen Ende der Leitung.
»Sag mal, wie redest du denn von Mama?«
»Mama? Das ist allein deine Schuld! Du hast diese verflohte Bande angeschleppt.«
»Papa, das geht jetzt wirklich zu weit. Artjom ist mein Mann, und
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