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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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sind einfach toll«, sagte er oft mit einem Blick auf das Inferno gegenüber. Ich schwieg dazu. Mein Kinderwunsch war bis zu unserem Urlaub, wenn überhaupt, nur sporadisch vorhanden gewesen. Innerhalb dieser vierzehn Tage löste er sich völlig in Luft auf.
    Marlene hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, spätestens am Nachmittag zu uns an den Strand zu kommen, um ihre Zwillinge abzuladen, den Ältesten hatte sie gnadenlos in den Miniclub gesteckt.
    »Könnt ihr mal kurz ein Auge auf sie haben? Bin sofort wieder da!« Dann verschwand sie für einen längeren Zeitraum, um sich mit einem dänischen Animateur namens Lars zu treffen. Immerhin hatte sie begriffen, dass sie nicht in meinem Revier wildern durfte.
    Das war die große Stunde der beiden Babuschkas in spe. Mutter förderte die Motorik der Kleinen und wurde eine Meisterin im Steine-übers-Wasser-Ditschen, Darya übernahm den intellektuellen Part der Erziehung, am Ende ihrer Ferien konnten die Hosenscheißer fehlerfrei bis zwanzig zählen – auf Russisch.
    »Ein Enkelkind wäre schon schön«, seufzte Mutter ab und zu, »vor allem, solange man noch einigermaßen rüstig ist.«
    »Da«, sagte Darya dann und strich den Kindern versonnen die Haare aus dem Gesicht. Bevor die beiden auffordernd zu mir blicken konnten, entschwand ich zur Poolbar, um mir lange vor Sonnenuntergang ein bis zwei Sundowner zu genehmigen.
    Die Herren gingen derweil ihren eigenen Freizeitbeschäftigungen nach. Artjom briet seinen makellosen Körper in der Sonne, las, schwamm und besuchte das hoteleigene Fitnessstudio, um dort den anderen beim Gewichtestemmen zuzugucken und ein wenig über bestimmte Trainingsmethoden zu fachsimpeln.
    Vater und Rostislav machten ausgedehnte Strandspaziergänge, Vater ging voran, die Hosenbeine hochgekrempelt, nach und nach nahmen seine langen weißen Beine ein feuriges Rot an. Rostislav stapfte wild gestikulierend hinterher, meist das Handy am Ohr. Wie Pat und Patachon, dachte ich, oder Dick und Doof.
    Die erste Woche plätscherte fast ereignisfrei an uns vorüber. Ich entspannte mich, alle vertrugen sich, Artjom und mir blieb wider Erwarten ausreichend Zeit für Zweisamkeit.
    Mutter nervte ein wenig mit ihren Reiseführern.
    »Wollen wir heute mal in den Oasis Park? Nein?«
    »Wie wär’s mit einem Ausflug nach La Atalayita? Nein?«
    »In der Nähe von Valles de Ortega gibt’s eine Aloe-Vera-Plantage. Habt ihr Lust … nein?«
    Insgesamt aber störte das in keiner Weise die Urlaubsharmonie. Selbst ein kleiner Zwischenfall am Pool konnte die gute Stimmung nicht trüben. Darya hatte es gewagt, sich auf eine freie Liege zu setzen, auf der ein unbenutztes Handtuch lag, und fand sich plötzlich den Attacken unserer Tischnachbarn aus dem Restaurant ausgesetzt, die ihre Besitzansprüche auf ebenjene Liege geltend machten.
    »Sie stehen jetzt sofort auf. Das ist unser Platz«, blökte die Frau, »so eine Frechheit!«
    Darya entschuldigte sich, schritt zur Rezeption und wollte ebenfalls eine Liege reservieren.
    »Sie können keine Liege reservieren«, erklärte man ihr, »die Liegen sind für alle da. Wer zuerst kommt, liegt zuerst.«
    Meine Schwiegermutter war verwirrt. Mutter versuchte, ihr die gute deutsche Tradition mit den Handtüchern zu erklären. Rein theoretisch verstand Darya dieses Prinzip. Praktisch entsorgte sie nun jeden Tag, wenn sie an der bewussten Liege vorbei zum Strand ging, das Handtuch unauffällig im Pool.
    Vater hatte irgendwann genug vom Faulenzen.
    »Die Männer gehen morgen wandern«, überraschte er uns beim Abendessen. Rostislav und Artjom sahen sich verstohlen um, konnten aber niemand anderen entdecken, zweifelsohne waren sie mit »Männer« gemeint.
    »Wandern?«, fragte Artjom vorsichtig. Rostislav zog die Stirn in Falten.
    Vaters Gesichtsausdruck zeugte von einer Entschlossenheit, die keinen Widerspruch duldete.
    »Genau, wandern. Durch den Naturpark von Jandía. Ich habe eine tolle Tour ausgearbeitet, ungefähr fünf Stunden Marsch, hin und zurück. Nur dreihundert Höhenmeter. Das schaffen auch die Russen.«
    »Fünf Stunden?«, fragte Artjom wieder. »Zu Fuß?«
    »Natürlich zu Fuß. Oder soll ich dich etwa tragen?«
    Artjom schwieg betreten. Rostislav holte sich noch ein Dessert, Stärkung war jetzt alles.
    »Morgen um neun geht’s los, der frühe Vogel fängt den Wurm«, sagte Vater, »das wird ein Heidenspaß!«

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    V on einem Aufbruch um neun Uhr konnte keine Rede sein, angesichts der bevorstehenden Anstrengungen

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