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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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zwanzig Kilo Gepäck mitnehmen dürfe. Ich hatte damit gerechnet, dass sie meine Ermahnung in den Wind schlug. Aber auf dieses Theater war ich nicht gefasst gewesen.
    Meine Schwiegermutter rauschte mit vier Koffern und zwei Beautycases an. Das waren ungefähr vierzig Kilogramm zu viel und somit über dreihundert Euro Extragebühren. Eine Frechheit, fand Darya.
    Die Dame vom Bodenpersonal bot ihr an, dass sie Kleidung aussortieren und ihr zur Aufbewahrung geben könne. Das ist eine gute Lösung, dachte ich. Das geht gar nicht, fand Darya. Alles in den Koffern sei unentbehrlich, und schon gar nicht würde sie dieser dahergelaufenen Person ihre Wertgegenstände anvertrauen, da könne sie die Sachen ja gleich an die Straße stellen.
    Leider sprach die Mitarbeiterin der Airline Russisch. Während des sich anschließenden Disputs suchte ich Unterstützung bei meinen Mitreisenden. Artjom hatte sich wohlweislich aus dem Staub gemacht – »Schatz, ich besorg ein paar Zeitschriften.« Mutter und Rostislav waren mit ihren Reiseführern beschäftigt, Vater tat so, als würde er nicht zu uns gehören.
    Also wedelte ich hektisch mit meiner Kreditkarte. »Kein Problem, ich bezahl das, kein Problem.«
    Mittlerweile war die Schalterdame jedoch so angefasst, dass sie nun noch einmal akribisch unsere Unterlagen und Pässe inspizierte, zu ihrem Missfallen aber nichts fand, das uns am Abflug hindern konnte.
    »Danke für eure Unterstützung«, fauchte ich den Rest der Familie an, als wir zum Gate rannten. Nach der vorangegangenen Prozedur mussten wir uns sputen. Abgehetzt erreichten wir das Flugzeug, ich sank in meinen Sitz und beobachtete das Chaos um uns herum.
    Mutter und Rostislav hatten unsere Reise idiotensicher in die Hamburger Frühjahrsferien gelegt, so dass der Flieger bis auf den letzten Platz ausgebucht war und von jungen, aufstrebenden Familien mit schreienden Kindern aller Altersklassen bevölkert wurde.
    In die Reihe vor uns setzte sich eine Mutter mit zweien ihrer Söhne, der dritte Spross kam zu mir und Artjom in den Sitz am Gang. Er saß keine zehn Sekunden, da nörgelte er schon und trat gegen die Rückenlehne seiner Erziehungsberechtigten.
    »Was hat denn mein Liebling?« Der Liebling wollte nicht am Gang, sondern am Fenster sitzen.
    »Überhaupt kein Problem. Natürlich sitzt der junge Mann am Fenster«, sagte Artjom charmant und räumte seinen Platz.
    »Ach, das ist aber nett von Ihnen«, säuselte die Frau und schaute meinem Mann zum Dank tief in die Augen.
    Als wir endlich abhoben, bohrte der Liebling neben mir aufgeregt in der Nase und schmierte seine Popel in den Vordersitz. Drei Mal verschüttete er seine Cola, rammte mir unzählige Male seinen Ellbogen in die Seite und stritt sich fortwährend mit seinen über den Lehnen hängenden kleinen Brüdern, deren Windeln nach jedem Wechsel sofort wieder voll waren. Uns umgab ein unvergleichliches Aroma. Alle fünf Minuten fragte der Junge mich: »Wann sind wir da?«
    Statt ihre Brut zu disziplinieren, tat es die Mutter ihren Kindern gleich, beugte sich über ihre Rückenlehne und unterhielt sich angeregt mit meinem Mann.
    »Oh, Sie kommen aus Russland. Wie interessant!«
    »Ihr Deutsch ist aber wirklich ausgezeichnet!«
    »Was machen Sie beruflich? … Wie interessant!«
    Über viereinhalb elende Stunden später landeten wir auf Fuerteventura.
    Beim Aussteigen machte Artjom weiter debile Scherze mit den Jungs, deren Mutter sich zu der bewundernden Bemerkung verstieg: »Sie können aber gut mit Kindern.«
    Während ich mich mit Daryas Koffern abmühte, half Artjom der unbemannten Frau mit ihrem Gepäck. Vater hatte ein Großraumtaxi organisiert und drängte zur Abfahrt.
    »Schahatz, kommst du?«, fragte ich und hakte meinen Gatten demonstrativ unter.
    »Augenblick, Marlene wollte mir noch ihre Handynummer geben«, sagte Artjom.
    »Wer ist Marlene?«, fragte ich.
    »Vielleicht trifft man sich mal auf einen Drink«, kicherte die alleinreisende Mama, als sie Artjom einen Zettel zusteckte, und ließ keinen Zweifel daran, dass dieses »man« mit Sicherheit nicht meine Person einschloss. Ihr Liebling trat mir zum Abschied noch einmal fest auf den Fuß.
    Beleidigt humpelte ich zum Taxi und murmelte: »So eine blöde Kuh.«
    »Wieso? Die war doch ganz nett«, sagte Artjom, »hat sie dir nicht auch leidgetan, so ganz allein mit drei Kindern?«
    »Nee. Das wird schon seinen Grund haben, dass die allein ist.«
    Unser Taxi brauste davon. Schweigend schaute ich auf der Fahrt aus

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