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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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schliefen die russischen Outdooraktivisten lieber aus. Als man gegen zehn gemächlich vom Frühstück zurückkehrte, hatte Vater schon Schaum vorm Mund, zügelte sich aber.
    »Jetzt zieht euch was Vernünftiges an«, sagte er mit unterdrücktem Groll, »zehn dreißig ist Abmarsch.« Kurz darauf standen Artjom und Rostislav vor ihm, in bunten Hawaii-Hemden und Shorts, der eine Flip-Flops, der andere Sandalen an den Füßen. Vater verlor kurz die Beherrschung und fluchte: »Festes Schuhwerk, verdammt, festes Schuhwerk!«
    Die beiden huschten zurück in ihre Appartements und wechselten die Schuhe.
    Vater breitete eine große Karte auf dem Terrassentisch aus und erklärte die Route.
    »Mit dem Bus erst mal nach Jandía. Von dort gehen wir durch das Gran Valle bis zur Passhöhe Degollada de Cofete. Dann runter an der Flanke des Bergs nach Cofete und wieder zurück.«
    »Unterwegs gibt’s doch bestimmt ein Restaurant, in dem wir einkehren können, oder?«, fragte Artjom.
    »Ha!«, Vater schnaufte und deutete auf einen großen Rucksack. »Restaurant brauchen wir nicht. Ich hab Proviant dabei.«
    Mit großen Augen hatte Rostislav den Ausführungen gelauscht, er begriff, dass es ernst wurde. Mit den Worten »Glaich zuruck« schoss er davon und kam nach einer halben Stunde mit Tüten bepackt wieder.
    Vaters Stimmung hatte ihren Tiefpunkt erreicht.
    »Das trägst du aber allein«, raunzte er.
    »Kain Prrobläm!« Rostislav schnappte sich eine von Daryas Strandtaschen, verstaute seine Wegzehrung und hängte sich das pinkfarbene Ungetüm quer über den Bauch.
    »Färrtig!«
    Wir Frauen waren froh, als die Männer gegen Mittag endlich aufbrachen, und winkten zum Abschied eher desinteressiert.
     
    Mutter und Darya wollten einen Pooltag einlegen, es war zu frisch und windig für den Strand. Da ich großmütterliche Attitüden und kaum versteckte Andeutungen fürchtete, täuschte ich Kopfschmerzen vor und ging nach einem kleinen Imbiss shoppen.
    Ich schlenderte die Straße mit dem malerischen Namen »Avenida Jahn Reisen« entlang zum nahe gelegenen Ort. Dort gab es ein überschaubares Einkaufszentrum mit allem, was das Herz begehrte: Touristennippes, Surfer-Equipment, Kunsthandwerk, Parfümerie, das Übliche eben. Ich erstand eine weiße Strandtunika, deren gewagtes Dekolleté silberne Pailletten schmückten, wohl wissend, dass ich dieses Teil in Hamburg nie anziehen würde.
    In der Parfümerie deckte ich mich mit Kosmetika ein und erstand auch Duftwässerchen für Mutter und Darya. Da ich schon wieder Appetit hatte – ich schrieb es der guten Seeluft zu –, aß ich in einer Tapas-Bar frittierten Fisch und bekämpfte die sich anschließende leichte Übelkeit mit zwei Camparis.
    Auf dem Rückweg musste ich mich gegen den Wind stemmen, er hatte zugenommen und blies mir scharf ins Gesicht, dunkle Wolken zogen vom Meer her landeinwärts. Der perfekte Tag für eine Wanderung, dachte ich und grinste. Mutter und Darya fand ich in den Katakomben bei einem Bingoturnier. Ich zog mich schnell zum Lesen zurück.
    Am späten Nachmittag betrat Mutter, ohne anzuklopfen, mein Appartement.
    »Es regnet.«
    »Ja und?«
    »Ganz schön heftig. Schau mal raus!«
    Ich zog die Vorhänge zur Seite und sah, dass der Minigolfplatz unter Wasser stand, die Palmen hingen schief im Sturm.
    »Na, die Männer sind bestimmt schon klatschnass. Haben die Regenzeug dabei?«, fragte ich und rutschte etwas tiefer unter meine warme Decke.
    »Natürlich nicht. Was sollen wir tun?«
    »Gar nichts. Die sind sicher schon auf dem Rückweg.«
    »Es wird bald dunkel.«
    »Erst in zwei Stunden. Mach dir keine Sorgen, Mama. Die kommen schon klar. Wo ist eigentlich Darya?«
    »Zur Maniküre. Die Frau hat wirklich die Ruhe weg.«
     
    Zwei Stunden später, es war bereits stockdunkel, der Sturm zum Orkan angewachsen, ging ich zur Rezeption. Weniger weil ich wirklich beunruhigt war – ich ging davon aus, dass die Kerle sich vor dem Unwetter in eine Bodega geflüchtet hatten –, vielmehr befand sich Mutter in einem Zustand der Auflösung, nachdem wir feststellten, dass Artjom sein Handy im Hotel vergessen hatte und Rostislav auf seinem nicht zu erreichen war. Vater besaß keins, weil er diesem neumodischen Schnickschnack misstraute.
    Ich erklärte dem Mann am Empfang kurz die Problematik.
    »Und wo genau wollten die Herren wandern?«, fragte er.
    »In irgendeinem Naturpark, Jadida oder so.« Ich hatte vorhin nur mit halbem Ohr zugehört.
    »Jandía?«
    »Exakt!«
    »Nun ja,

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