Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
unterdrückt wurde.
Ich war nicht gerade ein Experte für afrikanische Diktatoren. Soweit ich wusste, war das Einzige, was ein afrikanischer Diktator je richtig gemacht hatte, dass er in den sechziger Jahren den Boxkampf des Jahrhunderts zwischen Ali und Foreman in seinem Land hatte austragen lassen. Ich glaube nicht, dass Bush sich fürs Boxen interessierte, aber bestimmt interessierte er sich fürs Erdöl der Kuwaiter, das nämlich – keine Ahnung warum – auch ein bisschen ihm gehörte … Es gab sogar ein Ultimatum. Die Stunden des Schnauzbarts waren gezählt.
Ich gähnte und dachte, dass man sich immer in Schwierigkeiten brachte, wenn man seine Kräfte überschätzte.
Der Barmann rief Tony zum Achtelfinale auf.
»Machst du nicht mit?«, fragte ich Chiara, als sie allein an ihrem Tisch war.
Sie hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und sich die Lippen angemalt. Zu gerne wäre ich mit dem Finger über diese Lippen gefahren.
Achselzuckend sagte sie: »Nein. Die Vorstellung, mich mit einem wie dir zu messen, macht mir zu viel Angst.«
»Haha.«
»Egal. Wie geht’s dir?« Sie zeigte auf ihre Nase. »Tut sie noch weh?«
»Sie hat mir nie wehgetan.«
Sie lächelte kopfschüttelnd. Ihre Augen waren zwei grüne Murmeln. »Was für ein Macho«, flüsterte sie spöttisch, aber wir sahen uns lange in die Augen. Ich war schon drauf und dran, mich wieder vor ihr aufzublasen, da hörten wir ein deutliches Zischen in der Luft, gefolgt von einem scharfen Knall.
Tony hatte seinen Pfeil geworfen und fast ins Zentrum getroffen. Applaus brandete auf, an dem wir uns beteiligten. »Das übliche Idiotenglück«, flüsterte ich ihr händeklatschend zu.
»Reiner Neid«, erwiderte sie, aber sie lächelte.
»Du hast deinem lieben Tony schnell verziehen.«
»Wieso?«
»Neulich schienst du ziemlich sauer auf ihn zu sein, weil er mich hinterrücks angegriffen hat …«
»Wir sind seit langem befreundet«, beschied sie mir knapp. »Das hab ich dir schon mal gesagt. Außerdem bist du nicht gestorben, oder?«
»Stimmt.«
»Und wenn ich mich recht erinnere, hat er dich auch nicht hinterrücks angegriffen.«
»Quatsch!«, rief ich aus.
Sie machte eine Handbewegung, als wolle sie mich wegscheuchen.
Trotzdem setzte ich mich neben sie, auf Tonys Platz. Sie schien mich gar nicht wahrzunehmen. Schließlich hatte sie mich abgewiesen, ich stellte keine Gefahr mehr da. Vielleicht. Wer weiß. Dafür nahm ich sie umso genauer wahr: ihr Parfüm, die Biegung ihres Rückens. Wahnsinn, dachte ich. Sein Leben damit verbringen, diesen Rücken zu streicheln … Das war es, was ich wollte.
»Hast du die Absicht, mich die ganze Zeit anzuglotzen?«, fragte sie, ohne zu mir hinzusehen.
»Ich glotze dich nicht an.«
»Ich hatte den Eindruck …«
»Falscher Eindruck.« Ich zündete mir eine Zigarette an. Es galt, Terrain zurückzugewinnen. »Außerdem esse ich Tonys aufgewärmte Suppen nicht.«
Sie warf mir einen bösen Blick zu. Er schien zwischen uns durch die Luft zu zischen, aber es war nur der nächste Wurf unseres Champions.
»Oder es liegt an dir«, fuhr ich fort, »du hoffst, dass ich dich anstarre, obwohl ich es gar nicht tue.«
Wieder gab es Applaus.
»Kleiner Junge«, sagte sie traurig, als wäre sie enttäuscht. Und sie klatschte ihrem Helden Beifall.
Ich äffte sie nach, indem ich täppisch die Finger aufeinander schlug.
Kurz darauf kehrte der Held zurück. Natürlich hatte er seinen Gegner soeben tief beschämt. In der Menge umringten ihn seine Arschkriecher, klopften ihm freundschaftlich auf die Schulter und erklärten, er sei der Größte – wie schon seit eh und je sein ganzes beschissenes Leben lang. Das Neonlicht an der Decke fiel auf seine blonden Haare und ließ sie golden schimmern wie die von Robert Redford in So wie wir waren . Himmel, war er riesig! Ich dachte an den Schlag, den er mir verpasst hatte, und wie sehr er jeden zugerichtet hätte, der nicht meine Kraft und Widerstandsfähigkeit besaß. Immerhin lebte ich noch, was bedeutete, dass auch ich ganz schön robust war, nicht so stark wie er, aber mit Sicherheit genauso tough. Ach was, tougher als er.
Er erstarrte eine Sekunde lang, als er mich neben Chiara sitzen sah.
Wir sahen uns an. Jeder andere hätte sich in die Hose gemacht und ihn um Entschuldigung gebeten, dass er geboren war. Ich blies Zigarettenrauch in seine Richtung. Chiara verfolgte die Szene.
»Was macht die Nase?«, fragte auch er, Interesse und fromme Reue heuchelnd, um bei
Weitere Kostenlose Bücher