Meine Schwester und andere Katastrophen
zurück und machte mich darauf gefasst, angebrüllt zu werden.
»Ich schäme mich!«, rief Mr Hershlag. »Ich schäme mich zutiefst!«
Wegen mir? Ich wollte mich schon zur Wehr setzen: Aber Sie sind nicht mal mein Vater!
»Mein eigener Sohn!«, fuhr er fort. »Dass mein Sohn auch nur daran denkt, jemandem so etwas anzutun! Seiner eigenen Frau! Und seinem eigenen Kind! Nur über meine Leiche!« Er hechtete sich auf das Kuchenmesser und hob es hoch. »Wartet nur, bis ich George sehe! Ich sage ihm: ›Wenn du das tust, dann kannst du auch dieses Messer nehmen und mich umbringen!‹«
»Ivan«, sagte Mrs Hershlag. »Leg das Messer hin. Elizabeth ist so was nicht gewohnt.«
Mr Hershlag legte das Messer wieder hin (nachdem er mir
mit bebenden Fingern ein riesiges Stück Zitronenkuchen abgeschnitten hatte).
Mrs Hershlag tupfte mit dem Handrücken ihre Augenwinkel trocken. »George hat uns nichts von alldem erzählt. Er sagte, dass er und Cassie gerade eine schwierige Phase durchmachen, und wir haben uns gefreut, wieder jemanden im Haus zu haben. Er hat gesagt, sie hätte sehr viel zu arbeiten und wir sollten sie in Ruhe lassen. Ich rufe sowieso nicht gern im Haus an, ich will mich nicht einmischen, verstehst du? Und Cassie hält uns sonst immer auf dem Laufenden. Besser als George. Wir sind erst seit einer Woche wieder in London. Wir hatten keine Ahnung , dass sich die beiden scheiden lassen wollen! Das ist eine Katastrophe! Eine Katastrophe! Ausgerechnet jetzt! Wo jeden Augenblick das Baby kommt! Wie will sie allein zurechtkommen? Möchtest du Apfelkompott und Zimt zu deinem Kuchen, Liebes? Ich kann -«
Die Haustür knallte zu, und eine Stimme erschallte: »Ich bin wieder da-ha!«
»George!«, röhrte Mrs Hershlag so grimmig, dass ich von meinem Sitz hochschoss. »Komm hierher!«
Ich hörte ein Rascheln, dann stand George in einer Cordhose und einer dunkelblauen Regenjacke in der Tür. Als er mich sah, wurde er blass.
Mr Hershlag hievte sich hoch und humpelte o-beinig auf seinen Sohn zu. Dann packte er ihn am Ohrläppchen, bis George aufschrie. »Autsch!«
»Was hat das zu bedeuten?«, brüllte Mr Hershlag. »Elizabeth sagt, du machst Cassandra Ärger, du willst ihr das Haus wegnehmen und alles andere auch! Du sagst, sie kann nicht mal ihr eigenes Kind sehen? Das ist Stuss! Stuss! Herrgott, was ist los mit dir? Du erzählst uns nicht mal, dass du dich scheiden lässt!«
»Dad«, sagte George mit zusammengebissenen Zähnen, »du tust mir weh.«
Mr Hershlag ruckte rücksichtslos an Georges Ohr.
»Ahh!«
Mrs Hershlag stand ebenfalls auf und piekte George mit dem Finger. »Du glaubst, du bekommst Kies von ihr? Ich sag dir eins! Du nimmst nicht einen Penny von ihr, hast du gehört! Nicht einen Penny! Was ist los mit dir? Hast du keinen Anstand, keinen Stolz? Wenn du Geld willst, dann geh arbeiten, du nimmst auf keinen Fall ihres, du nimmst deiner Frau und deinem Kind kein Geld weg! Was für ein Mann bist du eigentlich? Und was soll dieser Stuss, dass das Baby bei dir leben soll? Du weißt doch nicht, wo bei einem Baby vorn und hinten ist! Ich werde das nicht zulassen, George, hast du gehört! Das kommt gar nicht in Frage! Wir reden hier immerhin über mein Enkelkind! Ich lasse nicht zu, dass du einen Keil zwischen dich und Cassandra treibst, und ich sage dir auch warum - weil sie ein wunderbares Mädchen ist und weil wir sie lieben und weil du dich mit deinem Trotz auf keinen Fall zwischen mich und mein erstes Enkelkind stellen wirst! Solange ich lebe und atme«, schnaufte Mrs Hershlag George ins Gesicht. »Es überrascht mich, dass sie es überhaupt so lang mit dir ausgehalten hat!«
Mr Hershlag zerrte wieder an Georges Ohr. »Hörst du?«
»Nein«, murmelte George. »Wahrscheinlich hast du mir das Gehör ruiniert.«
Mr Hershlag zog noch fester. »Ich habe gesagt, HÖRST DU?«
»Ja!«, brüllte George. »Schon gut! Ich höre!«
Mrs Hershlag deutete auf einen Küchenstuhl. »Setz dich«, sagte sie. George setzte sich. »Und jetzt hörst du mir zu. Du stimmst allem zu, was Cassie will. Hast du verstanden?«
»Aber -«
»Oder ich schwöre dir bei meinem Leben«, ereiferte sich Mr Hershlag, »wir vermachen dieses Haus dem Tierheim!«
»Du brauchst mir nicht gleich zu drohen«, schmollte George.
»So«, fuhr seine Mutter fort, »ich würde vorschlagen, dass du Cassie sofort anrufst, vor uns allen, und ihr erzählst, wozu du dich entschlossen hast. Und anschließend gibst du den Hörer an mich weiter, weil
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