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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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darüber weg und probieren es noch mal, bis sie eine Familie sind -«
    »Woher willst du das wissen, manche Menschen bleiben kinderlos, du hast keine Ahnung, wie sehr es sie verletzt!«
    »Was willst du eigentlich von mir, Elizabeth? Soll ich das Zimmer wieder so einrichten wie zuvor und dir einen schwarzen Schleier besorgen, damit du die nächsten fünfzig Jahre hier sitzen und Asche auf dein Haupt streuen kannst?«
    »Tim -«
    Er ließ meine Hand los und sank auf den Boden, kauerte sich zusammen, umklammerte die Knie und begann zu weinen. »Ich kann unmöglich gewinnen, nicht wahr? Ich kann unmöglich gewinnen! Es war auch mein Baby! Es war auch mein Baby! Du hast das nie wahrhaben wollen, du hast mir die Schuld gegeben, so als hätte ich es umgebracht, als dürfte niemand außer dir um dein Kind trauern, und du hast dich nie dafür entschuldigt - du entschuldigst dich nie! Was für eine Scheiße! Du sagst, es tut dir leid, aber du hast keine Ahnung, was es bedeutet!«
    »Tim!« Ich ging neben ihm in die Hocke. »Tim«, sagte ich. »Bitte verzeih mir. Ich war ein Monster. Du hast ja recht. Du hast ja recht. Verzeih mir. Natürlich gebe ich dir nicht die
Schuld. Es war auch dein Baby.« Ich strich ihm übers Haar, und er ließ es zu. Ich drückte mich an ihn, zog seinen Kopf an meine Brust und streichelte seinen Rücken.
    Schließlich löste er sich schniefend von mir. »Ich habe sogar den Teppich verlegt«, sagte er. »Eine Schweinearbeit. Zuletzt musste ich den Rand mit Sekundenkleber festmachen. Weil ich alle Tackerklammern verbogen hatte.«
    »Es ist ein sehr schönes Arbeitszimmer«, sagte ich. »Ich war einfach nur erschrocken. Ich hatte nicht damit gerechnet. Im ersten Moment kam es mir so vor, als wolltest du alles vertuschen und so tun, als hätte es nie ein Baby gegeben.«
    »Lizbet«, sagte Tim, »ich habe nicht bei allem, was ich tue, zehn Hintergedanken.«
    »Ich weiß.«
    »Und wie hätte ich so tun können, als sei es nie passiert, nachdem ich in den vergangenen fünf Monaten praktisch an nichts anderes gedacht habe? Ich bin nicht der Feind. Ich bin der Vater .«
    Ich senkte den Kopf.
    »Aber ich will mich nicht immer, immer nur im Kreis drehen. Ich will weiterleben. Das ist nicht respektlos oder kaltherzig, denn ich werde dieses Baby nicht vergessen. Es war mein Baby. «
    »Ich weiß«, flüsterte ich.
    »Wirklich?«
    »Jetzt schon.«
    »Irgendwann musst du anfangen, das Gute und nicht immer nur das Schlechte zu sehen.«
    »Aber«, sagte ich - weil ich das Gefühl hatte, dass ich es nicht verdient hatte, ausschließlich die Böse zu sein - »du hast nie gesagt , dass du an das Baby denkst. Ich habe nur gesehen, dass du immerzu gearbeitet hast.«

    »Elizabeth«, sagte Tim leicht ärgerlich, »das ist das Phantastische an Gedanken. Sie sind in deinem Kopf.«
    Ich lachte, aber ohne Freude. »Ich nehme dein -«
    »Du hast also dein Baby mit Totengesängen und Tänzen betrauert - die für uns beide reichten -, während ich mich dem selbstsüchtigen Geschäft widmete, an meiner Karriere zu basteln. So hast du es gesehen.«
    »Tim! Natürlich nicht! Ich meine, natürlich verstehe ich, was du sagen willst. Ich habe mich auch in der Arbeit vergraben.« Ich holte Luft. »Außerdem habe ich das Baby nicht mit Totengesängen und Tänzen betrauert. Das ist echt gemein. So als hätte ich allen was vorgespielt.«
    »Ach ja, dein Verhalten hatte also gar nichts Drama-Queen-, Ich-armes-Ding-haftes? Nicht zu essen, bis man einen Kleiderbügel an deinem Schlüsselbein aufhängen konnte! Diese aufgesetzte Fröhlichkeit , bis alle peinlich betreten waren? Und dich zuzuschütten wie JR! Dich im Bad einzuschließen, ununterbrochen Wasser einzulassen und nicht zu antworten, wenn ich ›Ist alles in Ordnung?‹ rief, bis ich schließlich die Tür eintreten musste?«
    »Ich hatte die Ohren unter Wasser. Und du wolltest die Tür eintreten.«
    Tim fuhr sich seufzend mit beiden Händen durchs Haar. »Und was sagt es dir, dass ich es wollte?«
    Ich nickte. »Ja«, flüsterte ich. »Es tut mir leid.«
    »Vergiss es.«
    Das lief ganz und gar nicht nach Plan. »Tim, ich bin hergekommen, um mich mit dir zu versöhnen, nicht um alles noch schlimmer zu machen.«
    »Du bist noch nicht bereit für eine Versöhnung.«
    »Doch!«
    »Nein, bist du nicht !« Er schwenkte den Arm. »Du behauptest
es, aber dann flippst du total aus, sobald ich dir das Arbeitszimmer zeige.«
    »Ich hatte es nicht erwartet . Mehr nicht.« Ich atmete tief durch.

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