Meine Schwester und andere Katastrophen
schrecklichen Schicksal bewahrt habe.
Lizbet saß aufgestützt im Bett und lächelte glückselig. Ich kannte diesen Blick. Wir sind Mutter . Es war der Blick der Jungfrau Maria, wie von Michelangelo gemalt, nur deutlich müder. Sie wirkte verdattert, war blass und sah aus wie in einem Zustand der Gnade. Zwei winzige rote Bündel lagen schlafend neben ihrem Bett. Tim lag schlafend auf dem Boden. Ich betrachtete die Zwillinge - beide mit einem orangeblonden Haarschopf - und brach in Tränen aus.
Oh Babys, ihr habt uns warten lassen.
»Sie sind perfekt«, sagte ich zu Lizbet. »Sie sind unglaublich und göttlich. Sieh sie dir an.«
Sie strahlte. »Ich habe gerade mit Tabitha telefoniert. Sie lachte, als ich ihr erzählte, dass ich Jungen habe. Sie meint, die Eltern, die nur Mädchen haben, wissen gar nicht, was es heißt, Kinder zu haben. Ich glaube, sie meint, dass Mädchen einfacher sind.«
»Möglich, aber das machen sie als Teenager wett, habe ich gehört. Sie ist immer noch durchgeknallt. Und wann trudeln alle ein?«
»Ich fürchte, sie sind schon unterwegs.«
Sie verdrehte die Augen, aber ich wusste, dass sie es nicht anders haben wollte. Dazu waren Familien schließlich da. Sie belästigen dich, wenn du halbtot vor Erschöpfung bist und dich nur noch nach Ruhe sehnst, platzen mit ihrem dämlichen Grinsen herein, die Arme voller Blumen und Geschenke und alberner Ballons, verbreiten Lärm und Hektik, lassen das Baby wie einen Rugbyball von Hand zu Hand gehen, sagen nichts, was nicht schon tausendmal in jedem Kreißsaal dieser Welt gesagt worden wäre - und zeigen dabei gleichzeitig, wie sehr sie dich lieben und wie selten sie Gelegenheit haben zu zeigen, wie tief diese Liebe geht.
Am Tag von Sarahs Geburt war ich hin- und hergerissen,
ob ich Lizbet im Krankenhaus haben wollte (natürlich nicht im Kreißsaal - sie hatte noch kein Kind zur Welt gebracht -, ich wollte ihr wirklich nicht die Überraschung verderben!), oder ob ich lieber wollte, dass sie den ganzen Tag damit zubrachte, sich mit Tim auszusöhnen. Meine Fruchtblase war um sechs Uhr früh geplatzt, weshalb ich es nicht klug fand, noch ans Meer zu fahren. Außerdem hatte ich mich am Nachmittag davor in Barnabys GT6 gequetscht und dabei eingeklemmt. Ich hatte mich gerade wieder herausgewunden, als er mir zur Rettung kam - er meinte, es hätte ausgesehen, als wollte sich eine Sardine aus der Dose befreien.
Ich gestand das Lizbet und den Eltern (obwohl ich versucht war, sie erst beiläufig anzurufen, wenn das Baby eine Woche alt war), und alle flippten völlig aus. Unter all der Aufregung vergaßen wir völlig, Tabitha Bescheid zu sagen, die daher unversehens allein mit ihrem Mann und ihren Kindern am Strand saß. Lizbet erzählte, dass sie erst gar nicht ans Telefon gehen wollte, als Tabitha abends auf dem Handy anrief. Als sie den Mut aufgebracht hatte, die Nachricht abzuhören, stellte sich heraus, dass ihre Nachbarin entdeckt hatte, dass sie und Jeremy und die Kinder sehr gut ohne die unterstützende, aber auch ablenkende Kraft von Kindermädchen, Freundinnen und Verwandten, die ihre Kernfamilie verwässerten, zurechtkamen.
An jenem Tag wären Lizbet und Tim und Mummy und Daddy am liebsten noch vor mir im Kreißsaal gewesen. Ich musste ihnen versichern, dass kein Notfall vorlag. Sie sollten so tun, als wäre alles ganz normal. Meine Wehen kamen in regelmäßigen Abständen. Ich würde meine Haare waschen, und dann würden Barnaby und ich ein Taxi rufen, sodass wir rechtzeitig zum Mittagessen im Krankenhaus ankommen würden. Barnaby würde sie abends anrufen und ihnen
mitteilen, ob das Baby pünktlich gekommen war oder ob es sich Zeit ließ.
Zwanzig Minuten später rasten Barnaby und ich im GT6 durch die Londoner Innenstadt - er mit der Hand auf der Hupe, ich mit triefnassen Haaren, den Kopf aus dem Fenster streckend wie ein Hund und »Heeeelft miiiir!« schreiend. Vier verblüffend mittelalterliche Stunden später war die kleine Sarah da. Sie war bläulich angelaufen, mit Blut und einer weißlichen Wachsschmiere überzogen, und das schwarze Haar klebte ihr am Kopf. Die Augen waren geschwollen und fest zugekniffen, und der Mund war zu einem mächtigen, zornigen Krähen aufgerissen. Ich hatte einen Halloween-Kürbis zur Welt gebracht - und war leicht geschockt.
Der Arzt legte sie mir auf die Brust, und ich drückte sie, »Hallo, Baby« flüsternd, an meine Brust.
Sie sah mich an, und sie sah mir genau in die Augen. Es war wie ein
Weitere Kostenlose Bücher