Meine Schwester und andere Katastrophen
dass du es nicht tun könntest.«
Mehr als fünf Stunden schwitzte ich über der Tastatur. Ich blubberte etwas darüber, dass ich Tim nackt auf dem Bett liegen sah, mit großen, leeren Augen und der schnurrenden Sphinx in seiner Armbeuge - und wie lausig ich mich dabei fühlte. Dass ich eigentlich Tim trösten sollte, aber dass ich das einem Tier überlassen hatte. Dass ich wusste, wie man sich fühlt, wenn man vollkommen verloren und gebrochen ist und nicht einmal tröstenden Zuspruch erträgt, sondern sich nur noch an eine Kreatur schmiegen kann, die dich nicht verurteilt und nichts von dir will. Es war eine Stufe besser als ein gutes Buch.
Ich hätte Tim gern erklärt, dass ich all das wusste. Aber dann dachte ich, dass er sich winden würde.
Letztendlich löschte ich alles (die ganzen eintausenddreihundertneunundsiebzig Worte) bis auf ein, zwei Absätze.
Tim, dies ist ein Liebesbrief. Ich möchte das betonen. Ich liebe dich mit jedem einzelnen Atemzug. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe - und das ist meine Schuld. Es ist nicht leicht, zu lieben oder es zu zeigen oder zu sagen, es ist nicht leicht, Liebe zu geben oder zu empfangen.
Es tut mir so leid, dass ich alles nur noch schlimmer gemacht habe.
Ich denke an dich und frage mich, ob du immer noch auf dem Bett liegst und dich von der Katze in den Schlaf schnurren lässt. Aber diesmal will ich diejenige sein, die alles wiedergutmacht. Bitte lass mich das tun,
in Liebe
»Elizabeth!«
Ich klickte hastig auf »Beenden«, und die Datei schrumpfte zu einem kleinen Rechteck auf meinem Bildschirm mit dem Namen »Timstory.doc«. (Die »Story« sollte dazu dienen, meine Spuren zu verwischen. Es wäre nicht gut, wenn ich nach dem Rauswurf beim Ladz Mag auch noch von Pussies Galore gefeuert würde. Das könnte bei möglichen zukünftigen Arbeitgebern schlecht ankommen.)
Die Redakteurin schielte mir über die Schulter. »Woran arbeitest du gerade?«
»An der Kurzgeschichte.«
»Wie geht’s voran? Darf ich einen Blick darauf werfen?«
»Ah! Nein. Nein. Es geht gut voran. Sie wird … kurz.«
»Sehr schön. Wir polstern sie aus mit einem großen Foto von … hm … mal überlegen …«
»Einer Katze?«
»Super Idee! Wir haben sowieso nur eine Seite dafür. Auf der anderen Seite bringen wir« - sie seufzte - »unsere Entschuldigung und einen Widerruf unseres Artikels über die Segnungen der Schnurrtherapie, wobei wir alle siebenundzwanzig Opfer namentlich erwähnen.«
Ich gab die angebrachten Laute von mir und rotzte dann eine wahrhaft grauenvolle Shortstory in den Computer: Einsame Frau hat Kater, Kater verschwindet immer wieder, es stellt sich heraus, dass er zu einem alten Mann zum Spielen geht (er isst viel Fisch), aber der Kater pinkelt in seine Wohnung, also ruft er die Nummer auf dem Halsband an, um sich zu beschweren, sie kommt vorbei, um den Kater abzuholen und um die Teppichreinigung zu bezahlen, selbstverständlich verlieben sie sich ineinander - obwohl das Haus nach Fisch und Katzenpisse stinkt (Subtext: Liebe ist stärker als Ammoniak, wie romantisch!), sie verkaufen den Kater und
legen sich einen Shih-Tzu-Welpen zu. (An dem Schluss musste ich noch feilen.)
Für den ganzen Schmodder brauchte ich keine volle Stunde. Nachgeschmissenes Geld!
Der Rest der Woche verlief weniger hektisch. Ich bibberte, ob ich Tim die Nachricht schicken sollte - die Vorstellung, wie er sie erhielt, machte mir panische Angst. Ich versuchte mich abzulenken, aber das war nicht so einfach. Jede Entscheidung, die ich fällte, erinnerte mich an ihn. Mein Geburtstag fiel dieses Jahr auf einen Sonntag, weshalb ich beschloss, stattdessen einen anderen Tag freizunehmen. Tim fände das richtig, dachte ich unwillkürlich. Montags und dienstags arbeitete ich ohnehin von zu Hause aus, weshalb ich beschloss, auch den Mittwoch freizunehmen und mir ein Fünftagewochenende zu gönnen.
»Aber an dem Tag läuft die Schlussredaktion!«, sagte die Redakteurin. »An dem Tag gehen wir in Druck! Da musst du hier sein!«
»Kat«, eigentlich hieß sie Kathryn, aber aus einem unerfindlichen Grund ließ sie sich lieber Kat nennen. »Ich möchte dich nur ungern mit meinen persönlichen Problemen langweilen«, sagte ich, und sie stellte die Ohren auf. »Ich habe mich nach einem intensiven … Streit von meinem Partner Tim getrennt. Jetzt hoffe ich auf eine Versöhnung. Aber wenn nicht« - ich holte Luft -, »dann muss ich möglicherweise das Sorgerecht für unsere Katze Sphinx
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