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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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Ausguss im Bad zu reparieren. Wir brauchen einen Rohrreiniger. Ich weiß! Ich zeige dir, wie man den Deckel abbekommt, dann kannst du das Zeug ins Becken gießen, wie findest du das?«
    »Tim« - Tabitha klang verunsichert -, »das ist wirklich eine nette Idee, aber ich weiß nicht recht, ob Tomas mit Rohrreiniger spielen -«
    Die kleine Celestia begann zu heulen, und sie unterbrach sich selbst: »Pst, pst, komm schon, meine Kleine, still, Mummy ist ja da.« Ihre Stimme verlor den üblichen Reibeisenton und wurde stattdessen weich wie Seide, und ich spürte, wie es mir den Hals zuschnürte. »Oh, sie langweilt sich mit Mummy, nicht wahr, meine Kleine? Sag mal, willst du sie nicht kurz halten?« Ich erkannte schockiert, dass sie mich damit meinte.
    Ich bohrte die Fingernägel in die Handflächen und versuchte einen Ton herauszubringen.

    Tomas kam mir zuvor: »Mummy, Mummy. Die da hat ›Fuck‹ gesagt.«
    »Tomas!«, sagte ich. »Du hast recht. Ich habe ›Fuck‹ gesagt. Okay? Fuck. Fuck. Fuck.«
    Tabitha wich bereits zurück, die Haustür mit dem Rücken aufdrückend und Tomas in stählernem Griff an der Schulter mit sich ziehend, um gleich darauf mit langen Schritten durch unseren Vorgarten zu fliehen, ihr Baby Celestia in die Seite gepresst wie einen kleinen Koalabären. »Nicht so wichtig!«, rief sie hinter der Hecke hervor. »Ich sehe schon, ein andermal passt es euch besser!«
    Tim schloss die Tür und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er hatte abgenommen und sah müde aus. »Hör zu«, sagte er. Seine Stimme war ernst. »Ich weiß, dass es schwer ist. Ich weiß . Aber, Süße, so ist es nun mal. Manche Babys wollen einfach zu früh raus. Das ist der Lauf der Natur. Wahrscheinlich hätte das Baby eine Missbildung entwickelt. Du hast doch gehört, was der Arzt gesagt hat. Er sagte, wenn ein Embryo genetisch abnormal ist, dann ist es ein Fakt, dass der Körper oft, indem -«
    Ich kreischte ihn an wie besessen: »Red du mir nicht von Fakten, du blöder Volltrottel. Spinnst du? Sie hatte keinerlei Missbildung! Du hast sie doch gesehen! Sie war perfekt! Sie hatte dein Gesicht! Was ist mit dir los? Ich verstehe dich nicht! Du bist wie eine Betonwand! Unser Baby ist tot!«
    Wenn Tim auch nur ansatzweise überrascht war, dass die Liebe seines Lebens ihn eben als blöden Volltrottel bezeichnet hatte, so ließ er sich das nicht anmerken. Vielleicht hatte er Talg im Ohr. Er erwiderte seelenruhig, so als hätte ich ihn niedergemacht, weil er eine Teetasse zerbrochen hatte: »Elizabeth. Es tut mir wirklich leid. Aber du darfst dich nicht so gehen lassen.«

KAPITEL 15
    Tim hatte recht. Ich machte mich zum Spektakel. Und in unserer Familie war das etwas Schlechtes. Ich möchte nur auf Cousin Bernie verweisen. Cousin Bernie hat nie geheiratet, und ganz unter uns, das war nicht weiter verwunderlich. Er hatte die nervöse Angewohnheit, in seine - immer fettigen - Haare zu fassen und sie zwischen seinen Fingern zu zwirbeln, und er litt an einem zwanghaften Reizhusten. Als Physikprofessor war er gut im Lösen von Gleichungen und weniger gut im Umgang mit Menschen. Am vierzigsten Geburtstag von Cousin Bernie beschloss er mit großem Trara, Alija zu machen. (»Was ist das?«, fragte unsere Mutter, die Cousin Bernie nicht ausstehen konnte und ihn liebend gern aufzog. »Ist das ein Kuchen?«)
    Alija zu machen bedeutete, wie unsere Mutter sehr wohl wusste, nach Israel zu emigrieren. Im jüdischen Glauben war das eine Mizwa , eine gute Tat mit spirituellem Beiklang. Und so war die Familie gezwungen, ein Riesentrara um Cousin Bernies Midlife-Crisis zu machen, der Rabbi erwähnte ihn sogar in der Synagoge, und im Jewish Chronicle erschien ein Artikel über ihn. (Ganz unter uns, scharenweise Leute machten Alija , aber Onkel Bernie wollte, dass auch seine vier Frettchen Alija machten - »Nichts als Effekthascherei, der ganze Schmonzes«, wie unsere Mutter säuerlich kommentierte.)
    Cousin Bernie, um den sonst nie ein Trara gemacht wurde,
badete in der allgemeinen Aufmerksamkeit. Es wurden drei verschiedene Abschiedsfeiern zu seinen Ehren veranstaltet. Er bot an, eine wöchentliche Kolumne mit dem Titel »Randbemerkungen aus Israel« für eine wenig bekannte Publikation namens Zionist Bugle zu schreiben (der angesehenere Jewish Chronicle hatte dankend abgelehnt). Er brachte den Frettchen bei zu reagieren, wenn er auf Hebräisch »Abendessen!« rief. Gegen seinen Abschied war die Jungfernfahrt der Titanic ein Witz . Jedenfalls, lange

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