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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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Rede, kurzer Sinn, emigrierte Cousin Bernie nach Israel, brachte dort kein Bein auf den Boden und kehrte nach kurzer Zeit zurück.
    Noch lange danach hörten Cassie und ich, wie unsere Mutter immer wieder aus heiterem Himmel und völlig unbegründet schallend zu lachen begann.
    Ich wollte nicht der gleichen Liga zugeordnet werden wie Cousin Bernie, der inzwischen, allein und ungefeiert, fernab in Dollis Hill residierte. Ich wollte mich nicht zum Spektakel machen. Dabei gab es nur ein Problem: In dem Versuch, meine tiefe Trauer für mich zu behalten, hatten Menschen wie Tabitha angenommen, dass ich alles längst vergessen hatte und beim Anblick von Kindern, Babys, Müttern, Windeln, Schnullern, Fläschchen oder Kinderwagen nicht mehr den Drang verspürte, meine Schlagadern aufzuschneiden.
    Ich entschuldigte mich bei Tabitha. Ich zwang mich, zu Baby Gap zu gehen und ein paar Stiefelchen aus falschem Wildleder mit Pelzbesatz zu kaufen, auf deren Sohlen kleine Pfötchen aufgenäht waren, und ihr diese Stiefel persönlich zu überreichen. Andere sind weit schlimmer dran als ich, redete ich mir zu. Ich versuchte mir irgendwas noch Schlimmeres auszumalen - eine Fehlgeburt im achten Monat, in dem das Baby praktisch schon ausgebacken war -, und dann versuchte ich mir etwas Besseres auszumalen - eine Fehlgeburt, bevor
du überhaupt bemerkt hattest, dass du schwanger warst. Dummerweise konnte ich mir nichts Schlimmeres ausmalen als das, weshalb es mir wie eine Beleidigung vorkam, gegenüber einer Frau in dieser Situation das Wort »besser« zu verwenden.
    Manche Frauen machten das Gleiche dreimal oder noch öfter durch. Ich musste mich wirklich zusammenreißen. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, wie . Die Welt war von Babys überschwemmt. Ich konnte nicht vor die Tür treten, ohne einen Buggy unter einem Vordach stehen zu sehen. Selbst zu Hause konnte ich Celestia von nebenan durch die Mauer krähen hören - »Mmmmmm-eh, mmmmm-eh«. Sie waren überall. Überall außer …
     
    »Ladz Mag.« Toby lächelte seine versammelte Mannschaft an, die sich auf allen möglichen harten Oberflächen in seinem Büro niedergelassen hatte, und lehnte sich in sein Sofa zurück. Er schniefte, und auf seiner braun gebrannten Stirn erschien eine winzige Falte. Dann schniefte er noch mal und beugte sich vor.
    »Ah ja, das Ladz Mag . Es war mir wahrhaft ein Vergnügen, meine Herren - und meine Damen! -, und ich liebe euch und verlasse euch nur ungern. Ich weiß, dass mein plötzlicher Abschied wie ein Schock über euch kommt, und ich freue mich daher, euch mitteilen zu können, dass ich persönlich - und nicht die Firma - heute Abend einen ausgebe, um euren Schmerz zu lindern. Ich gehe davon aus, dass ihr alle heute Abend frei habt, und bitte bringt eure besseren Hälften mit! Ladz Mag wird mir ewig im Herzen bleiben, und bitte glaubt mir, wenn ich sage, dass ich in meiner neuen Eigenschaft als Chefredakteur von Elle Decorations oft an euch denken werde. Und nun …«, Toby holte Luft, und wir hielten
den Atem an, »… nun darf ich euch noch verraten, wer mein Nachfolger ist.«
    Ich sah Fletch an, aber der wirkte genauso baff wie wir alle. Toby zerrte sein Nokia aus der maßgefertigten Innentasche seines Ozwald-Boateng -Anzugs und drückte ein paar Tasten. »Kevin? Du bist dran.«
    Die Bürotür flog auf - es war ein bisschen wie in einer Zaubershow -, und - paff! - kam ein Mann hereingesprungen: weit über vierzig, mit steif gegeltem Haar und einer Sonnenbrille um den Hals gehängt. Seine Hosen waren dreiviertellang, und seine Waden waren ungeheuer haarig.
    »Ich brauche euch Kevin Docherty sicher nicht vorzustellen«, rief Toby. »Er ist ein Löwe des Journalismus, und ihr seid bestimmt alle vertraut mit der astreinen Arbeit, die er bei Weekly Chatter geleistet hat, vor allem bei dem ›Gewinn ein Kind‹-Wettbewerb. Ich habe jetzt ein kleines, äh, Têteà-tête mit der Rechtsabteilung, wir sehen uns also alle um sechs im Cock and Bull , aber bis dahin überlasse ich euch den fähigen Händen von Kevin, der euch seine bahnbrechende Vision für Ladz Mag - und den gigantischen Relaunch - vorstellen wird.«
    Toby huschte aus dem Raum.
    Wir verfolgten schweigend, wie Kevin durch den Raum geschlendert kam und sich auf das Sofa fallen ließ. Er parkte seine Kamelhuf-Turnschuhe auf der Schreibtischoberfläche (ein beeindruckendes Manöver, denn der Schreibtisch war sechzig Zentimeter höher als das Sofa). Dann griff er zur neuesten Ausgabe des

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