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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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sagte er und wischte sich die Augen trocken. »Das war wirklich gut! Gebt der Kleinen noch ein Bier aus!«
    Ich grinste in mein Guinness. Ich mag überhaupt kein Guinness.
    »Und wann schreibe ich die erste Kolumne?«, fragte ich, einen Finger in den Schaum senkend.
    »Warum nicht morgen?«, sagte Kevin.
    Wir fielen uns wieder in die Arme. Ich glaube, dies war der Moment, in dem Tim eintraf, mir auf die Schulter klopfte und gehen wollte. Ich wollte noch nicht gehen, aber er ließ sich nicht umstimmen. Daher unser kleiner Zwist vor dem Pub, gefolgt von polizeilicher Intervention.
    Bedrückt saß ich im Taxi nach Hause. Tim auch. Na und? Ich war die neue Sexkolumnisten für Ladz Mag.
    »Das Essen war nett«, sagte er. »Cassie war auch da.«
    »Schön.«
    »Wir haben dich vermisst.«

    »Nett.«
    Tim seufzte und nahm meine Hand. Ich seufzte und drückte seine.
    »Wahrscheinlich ist das nicht der beste Moment«, murmelte er, »weil du wirklich unglaublich betrunken bist. Aber ich finde, wir sollten es mit dem Baby noch mal probieren.«

KAPITEL 16
    Eine starke Persönlichkeit wird für gewöhnlich von ihrer Außenwelt wahrgenommen. In meinem Fall scheinen alle davon überzeugt zu sein, dass ich eine schwache Persönlichkeit bin. Das wurde mir schon in frühester Kindheit bewusst, und seither ist nichts geschehen, was meine Einschätzung geändert hätte.
    Vor nicht allzu langer Zeit saß ich am Wochenende allein in einem gesteckt vollen Café in Kingswood, als eine Frau fragte, ob sie sich an meinen Tisch setzen dürfe. Worauf sie in den größten Bohnenburrito biss, den die Welt je gesehen hatte; gierig wie ein wildes Tier schlang sie ihn hinunter, der Saft tropfte ihr vom Kinn, die Pilze quollen zur Seite heraus, Stränge von kaugummizähem Käse hangelten sich in ihre Ärmel. Hallo?, dachte ich. Bin ich unsichtbar? Ich wusste, wenn ich mehr Präsenz gehabt hätte - wie etwa Cassie -, hätte sie Messer und Gabel benutzt.
    Cassie meinte, dass mein Verhalten keine große Hilfe sei. Sie sagte, wenn ich tatsächlich mal ein Kompliment bekommen hatte, hätte ich davor Deckung gesucht wie vor einer Pistolenkugel. Außerdem machte sie mir Vorhaltungen wegen meiner »Raffinadezuckersucht«. Ich stand zu meiner Raffinadezuckersucht. Dank ihrer fühlte ich mich als besserer Mensch. Hatte sie noch nie etwas von Selbstmedikation gehört? In Wahrheit wollte sie andeuten, dass ich mich gehen
ließ. Als hätte ich das nicht gewusst! Ganz ehrlich, wer in London ein großes Haus unterhalten will und nicht das verdient, was sie verdient, muss seinen Besitz loslassen können. Und ich hatte mein Haus wirklich gern.
    Ganz hatte ich mich noch nicht in mein Schicksal ergeben. Sobald ich irgendwo ein Interview las, in dem eine Sienna oder Keira gebeten wurde, ihren Lieblingsdesigner zu nennen, malte ich mir sofort ein Leben aus, in dem ich so von Designerstücken überschwemmt wurde, dass ich mir einen Lieblings designer leisten konnte. Der andere Killer: Lieblingsgeschäfte in New York. Zu meiner großen Scham muss ich gestehen, dass ich schon zweiunddreißig bin und noch nie in den USA war (eine gesellschaftliche Todsünde, die auf einer Stufe mit »nicht schwimmen können« steht). Außerdem war die Haut an meinen Fußballen so trocken, dass sie sich schon schuppte - ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich sie nur berührte. Und meine Turnschuhe waren so alt, dass Cassie meinte, sie seien schon fast wieder antik. All das störte mich, allerdings nicht derart , dass ich etwas daran geändert hätte.
    George sagte einmal, ich hätte ein »wenig ausgeprägtes Selbstwertgefühl« - eine Mahnung an alle Frauen, niemals einen Mann in die Nähe einer Cosmopolitan zu lassen. Ich war anderer Meinung, aber ich wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Ich hatte kein »wenig ausgeprägtes Selbstwertgefühl«, sondern eine »stark ausgeprägte Apathie«. Ich beugte mich den Vorlieben meiner Mitmenschen, weil es mir zu aufwändig war, ihnen zu widersprechen. Seit ich es doch tat, kam es mir so vor, als hätte ich das Schutzglas vor meiner wahren Persönlichkeit zertrümmert (die nur im Notfall verwendet werden durfte). Die innerste Lizbet war härter, konzentrierter, entschiedener. Ich beschloss, dass sich die Menschen zur Abwechslung meinen Wünschen beugen konnten.
Ich würde ihnen helfen, sich daran auszurichten, indem ich mich selbst ausrichtete.
    Ich ließ all meine Drogen im Küchenschrank: vier Rollen Smarties, zwei Schokoriegel, zwei Goldhasen von

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