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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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flau wurde.

KAPITEL 19
    »Wie geht’s denn so?«, fragte Barnaby. Ich hatte immer das Gefühl, dass er sich auf die Zunge beißen musste, um nicht »meine Kleine« hinzuzusetzen.
    »Super«, sagte ich und atmete eine Rauchwolke aus, die ihn zusammenzucken ließ. »Allerdings würde mich schwer interessieren, wann deine Mandantin endlich zur Besinnung kommt. Ehrlich, glaub mir, es gibt in deiner Position rein gar nichts zu verhandeln. Ich versichere dir, dass deine Mandantin nicht im Zeugenstand stehen möchte, wenn ich sie frage -«
    »Cassie, Cassie!« Barnaby legte eine Hand auf meine Schulter. »Entspann dich! Genieß den Abend! Drohen kannst du mir auch während der Arbeitszeit!« Er grinste. »Und wie läuft’s so?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Der Mann brachte mich immer wieder dazu, Müll zu reden. Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass wir uns innerhalb der nächsten Wochen vor Gericht wiedersehen würden, und das wollte ich um keinen Preis. Weil ich verlieren würde. Und das war allein Hubert Fitzgeralds Fehler.
    Hubert Fitzgerald hatte beschlossen, sich nach zwanzig Ehejahren von seiner Gemahlin Alissa zu trennen, just als sein Unternehmen Geld abzuwerfen begann. Es hatte einige weniger einträchtige Händel zwischen meinem Mandanten
und dem Au-pair gegeben. Hubert schien nicht der Ansicht zu sein, dass Alissa irgendwas verdient hatte. Innerhalb einer Woche nach dem Scheidungsantrag hatte Hubert häppchenweise dreihundert Riesen von seinem Konto geschaufelt. (»Ach, zweihundert davon sind an meinen Dad gegangen, ich habe ihm das Geld zurückgezahlt, das er mir vor zwanzig Jahren für den Hauskauf geliehen hat.«) Er behauptete, im Jahr gerade mal fünfzigtausend Umsatz zu machen, obwohl ihr Lebensstil - jeweils einen Vierradkoloss für sie und ihn, Privatschule für die Kleinen, ein Ferienhaus in Cornwall - darauf schließen ließ, dass es in Wahrheit das Vierfache war.
    Ich hatte ihn gewarnt, dass die Richterin ihn als Zeugen ablehnen würde, wenn er diesen Quatsch auch unter Eid von sich gab, aber er hatte nicht klein beigeben wollen. Hubert war Geschäftsmann und dehnte die Wahrheit wie einen Elasthanslip, ohne zu begreifen, dass das vor Gericht nicht funktionieren würde. Ich erzählte ihm ausführlich, was eine offene, rückhaltlose Vermögensaufstellung beinhalten musste, während er mit dümmlichem Gesicht vor mir saß und ich das definitive Gefühl bekam, ich könnte ebenso gut mit einem Hund reden.
    Barnaby und ich hatten den Auftrag, die Fitzgeralds zu einer außergerichtlichen Einigung zu bewegen, aber das war so, als hätte man Kinder gezwungen, nur den Brokkoli zu essen, wenn es Eiskrem als Nachspeise gab. Das Problem war, dass Hubert es auf einen Kampf anlegte. »Ich will, dass wir sie ins Kreuzverhör nehmen«, sagte er. »Sie müssen sie fragen, was sie in den Ferien ausgegeben hat. Zwei Riesen, leck mich doch! Sie fährt jedes Jahr mit den Kindern und ihren Eltern in die Bretagne, sie braucht nur die Fähre zu bezahlen.«
    Ich gab mir Mühe, nicht zu schaudern. »Wir sollten behutsam vorgehen«, sagte ich. »Es bringt wenig, sie zu bedrängen
und ihr vorzuhalten, dass das ein übertriebenes Budget wäre, denn das ist es nicht.«
    »Mir egal«, sagte er. »Machen Sie. Dafür bezahle ich Sie.«
    »Hubert, ich bin teuer«, erklärte ich ihm.
    Er sagte: »Ich gebe lieber Ihnen mein Geld als dieser Kuh.«
    Was ich in Hubert sah, war ein reicher Vorrat an tiefem Hass gegenüber jenem Menschen, den er einst geliebt hatte - angehäuft in vielen Jahren voller unausgesprochener Frustrationen, unausgefochtener Streits, kleinlicher Zankereien, fundamentaler Differenzen, offenkundiger Missverständnisse, mangelnder emotionaler Ausdrucksfähigkeit, Egoismus, Unreife, Unzufriedenheit, Enttäuschungen, Neid und Respektlosigkeit. Das Gesetz untersagte es ihm, sie umzubringen. Jetzt hoffte er, sie mit dem Gesetz umbringen zu können.
    Infolgedessen hatten Barnaby und ich Märchengeschichten ausgetauscht - Verzeihung: Vermögensaufstellungen -, ohne dass alle Punkte geklärt worden wären. Barnaby und ich hatten uns eine Stunde vor der ersten Anhörung getroffen, und dabei hatte er mir eine Liste von Firmen überreicht, an denen Hubert beteiligt war und von denen ich nichts wusste.
    »Woher hast du die?«, hatte ich gequiekt.
    »Meine Mandantin hat versehentlich die Post deines Mandanten geöffnet«, hatte er erwidert.
    »Hat sie auch versehentlich seinen Müll durchwühlt?«, hatte ich ihn

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