Meine Schwester und andere Katastrophen
seine Ravioli mit roten Zwiebeln auf dem Teller herumzuschubsen. »Ich kann Lizbet ein Taxi rufen«, sagte er. »Wir brauchen deshalb nicht alle zu gehen. Cassie hat Monate warten müssen, um diesen Tisch zu bekommen.«
George setzte eine verkniffene Miene auf, die uns zeigen sollte, dass er sich ärgerte. »Es macht mir keine Umstände, Lizbet heimzufahren«, sagte er. »Ehrlich gesagt treffen sich noch ein paar Kollegen von mir mit ein paar Schauspielerfreunden. Helena hat erwähnt, dass sie vielleicht vorbeischaut, und ich glaube, der Pub ist praktisch bei euch um die Ecke. Es wäre vielleicht ganz klug, dort mal mein Gesicht zu zeigen.«
»Wohl kaum«, sagte Lizbet und kicherte. Dann hakte sie sich bei George unter und sagte: »Das war ein Witz. Also komm, Pudding. Bye , Barny, schön, dich kennengelernt zu haben. Bye, Cass. Tim, hier sind zwei Fünfziger.«
Ich nahm die Scheine und wollte sie ihr zurückgeben, aber sie wedelte abwehrend mit der Hand. »Tim hat das Popopflaster erfunden«, rief sie. »Jetzt sind wir stinkreich!«
Tim sah ihr wortlos nach, während sie in die Nacht hinauswackelte.
»Cassie«, rief George über die Schulter zurück, »bei mir wird es wahrscheinlich später, aber ich rufe um elf kurz durch, um zu hören, ob du gut nach Hause gekommen bist.«
Barnaby sah Lizbet hinterher, und ich wusste , dass er Tim mit dem Ellbogen anstupsen und sagen würde: »Ein echter Wildfang!«
Er sagte: »Wenn du wirklich das Popopflaster erfunden hast und stinkreich bist, hast du dann erstens einen guten Anwalt, und warum ist zweitens Lizbet nicht glücklich?«
Tim fiel über seine Crème brulée her, und ich dachte, dass er stehende Ovationen geerntet hätte, wenn er diese Improvisation auf der Schauspielakademie unter dem Titel »Der wütende Dessertesser« abgeliefert hätte. Er legte die Silbergabel genau in der Mitte des edlen Porzellantellers ab, lehnte sich in die üppigen Lederpolster zurück und sagte: »Sie hat erkannt, dass Geld nicht alles ist.«
»Stimmt«, Barnaby ließ den Champagner in seinem Glas kreisen. »Aber es ist immerhin etwas. «
»Was?«, mischte ich mich ein. »Du interessierst dich doch gar nicht für Geld. Du arbeitest doch nur wegen der intellektuellen Herausforderung und wegen des Kameradschaftsgeistes in der Anwaltskammer.«
»Ach ja?«
»Jedenfalls laut deinem Profil auf der Website der Anwaltskammer.«
»Montgomery, du bist ja besessen von mir!«
»Nein, bin ich nicht! Dein Profil wurde per E-Mail verschickt, damit wir was zu lachen haben. Dieser ganze Quark von ›unvergleichlichen Möglichkeiten der rechtlichen Vertretung‹ und ›Hilfe bei den juristischen Alltagsproblemen gewöhnlicher Menschen‹ …«
»Den Absatz mit der nackten Geldgier haben sie gestrichen?«
»Du -«
»Tut mir leid, euch zu unterbrechen«, sagte Tim. »Aber ich brauche frische Luft. Ich gehe ein bisschen spazieren. Wir sehen uns, Cassie. Danke für den Abend. Entschuldigt. Barnaby, war nett, dich kennen zu lernen.«
»Du bist schuld«, sagte ich, als die Tür hinter Tim zugefallen war.
»Ach, weißt du«, sagte Barnaby, »das ist jetzt so lang her -
und nebenbei gesagt habe ich dir sehr wohl erklärt, dass ich unbedingt den Nachtzug erwischen musste, weil mein Bruder am nächsten Tag heiraten wollte, aber ich habe den leisen Verdacht, dass du zu beschwipst warst, um dir das zu merken. Es ist interessant, dich außerhalb der Arbeit zu sehen. Da bist du genauso bissig.«
»Nein, bin ich nicht, ganz im Gegenteil.«
Mein Gott, ich war wirklich miserabel im Streiten. Dazu muss man wissen, dass eine Anwältin sich ihre Argumente vor Gericht nicht einfach aus den Fingern saugt. Meine Assistentin erledigt noch vor der Verhandlung einen Großteil der schriftlichen Vorarbeiten und erstellt dabei ein grobes Gerüst für die Verhandlungsstrategie. Natürlich ist es mein Part, diesem Gerüst Standfestigkeit zu verleihen, weshalb ich mich am Vorabend penibel vorbereiten muss, aber ich weiß mehr oder weniger, was die Gegenseite vortragen könnte, noch bevor es ausgesprochen wurde, und muss daher nur noch ausarbeiten, wie ich darauf reagiere. Deshalb hätte Barnaby mir nur kurz vor dem Abendessen eine Liste mit den möglichen Streitpunkten faxen müssen, und ich hätte ihn durchnudeln können. Hm, was, wenn man es sich bildlich vorstellt -
»Was läuft da zwischen dir und deinem Mann?«
»Entschuldige?«
»Was denn?«
»Barnaby!«
»Ja?«
»Hör auf.«
»Du lädst mich zum Essen
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