Meine Schwester und andere Katastrophen
heitere Anekdoten zu Pferdespielchen zu animieren. Stattdessen schenkte ich ihnen schneller nach.
Der Alkohol siegte, wo ich gescheitert war. Sie wurden lockerer, fingen an zu kuscheln. Mit einem erleichterten Seufzen beschloss ich, dass es Zeit für eine Zigarette war. Ich nahm an, dass die beiden wieder an einem Baby arbeiteten, und so schwenkte ich meine nicht angezündete Zigarette und ging damit nach draußen. Als ich aus der Tür trat, rammte ein Passant meine Schulter.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung - ach was! Cassandra Montgomery! Hallo!«
Ich hob den Kopf und setzte ein Lächeln auf. Barnaby Alcock. (Der Name war Programm. Was für ein unglaublicher Schmock. Und nur damit kein Zweifel aufkommt, ich meine damit nicht seinen Zeugungsapparat - dieser Anblick blieb mir bisher erspart; anders ausgedrückt ist der Mann ein Kretin.
) Es gäbe endlos viel über Barnaby zu erzählen, was ihn hassenswert machen würde, darum will ich nur ein paar Dinge herausheben. Er vergöttert sich mehr, als jede Frau es tun könnte, weil er kein konventioneller Anwalt ist - huu-huu!
Er hat eine blonde Zottelmähne, die er der Legende zufolge früher zu Dreadlocks geflochten hatte (der Herr sei uns gnädig!). Sein größtes Hobby ist Surfen, und er fährt mit dem Fahrrad ins Gericht (Hauptsache, er hat einen Vorwand, hautenge Hosen zu tragen). Seine Karriere begann in Exeter. Sophie fragte ihn mal: »Warum Exeter?«, und er meinte: »Warum nicht ?« Ungehobelter Idiot. Ich geriet als blutige Anfängerin an ihn, und er verhielt sich wie ein Schwein. Er ist nur etwa vier Jahre älter als ich, aber ich nehme an, ich sah damals sehr jung aus, weshalb er mir dieses Schmunzeln zukommen ließ, als er mich erstmals im Gerichtssaal sah, so als wollte er fragen: »Ist deine Mum dabei?«
Er und seine Kollegen verhöhnten mich mit scheinheiliger Ehrerbietung. (»Eine Anwältin aus London !«, sagten sie, und ihre Körpersprache sagte: »Oo-oh!« ) Ich kam mir vor, als wäre ich in einem provinziellen Herrenclub gelandet. Die Umkleidekammer stank nach Rauch, und als sich herausstellte, dass ich dem Richter eine Stellungnahme geschrieben hatte (um uns allen ein langes Eröffnungsplädoyer zu ersparen), sagte Barnaby: »Ach, Sie haben eine Stellungnahme geschrieben.« Er hätte genauso gut sagen können: »Ach, du hast ihm ein Bild gemalt.« Als ich die Stellungnahme ganz unten in einem Stapel auf dem Richtertisch liegen sah, fragte ich sicherheitshalber: »Hatten Sie Gelegenheit, meine Stellungnahme zu lesen?« Der Richter fragte: » Möchten Sie das denn?«, und wir vertagten um fünfzehn Minuten. Als wir wieder in den Gerichtssaal Einzug hielten, warf ich Barnaby einen triumphierenden Blick zu, woraufhin er murmelte:
»Jedenfalls hatte er jetzt Zeit, den Sportteil zu lesen und eine zu rauchen.«
Doch das vernichtendste Argument, das ich gegen Barnaby habe, ist die Tatsache, dass er zwei stinklangweilige Bücher geschrieben hat (während er gerade mal nicht den Obdachlosen half oder Vorlesungen hielt oder ein digitales Mentorensystem für Gefängnisinsassen erstellte oder Kuchen für den Wohltätigkeitsbasar in seiner Gemeinde zauberte). Beide drehen sich um das Familienrecht und sind bei Amazon für läppische achtundvierzig Mücken pro Band zu haben.
Seine erste Leserrezension war der reine Genuss: »Ein platter Abklatsch anderer Bücher … Im Stil holprig und zäh … Was in diesem Rechtsgebiet fehlt, ist ein interessanter und durchdachter Ratgeber. Ein solcher ist dieses Buch nicht.«
Allerdings waren die zweite, dritte und vierte Rezension überwältigend positiv. »Juristische Publikationen können auch sexy sein!«, »Ich bin ebenfalls Anwältin mit Schwerpunkt Familienrecht und war ganz begeistert, auf diese durch und durch erfreuliche Lektüre zu stoßen. Geschrieben von dem talentierten und gleichzeitig klugen Barnaby Alcock, dessen leicht zugänglicher Stil dennoch genügend Tiefe hat, um die juristischen Themen so erschöpfend abzuhandeln, dass selbst ein Experte auf dem Gebiet Gewinn aus der Lektüre zieht. Wenn nur mehr juristische Fachbücher so vergnüglich und interessant wären!« Und - wer hätte das gedacht - »Ein neuer Standard für juristische Publikationen wurde gesetzt!«
Wie eigenartig, dass all diese glühenden Elogen von einer mysteriösen »Leserin aus London« verfasst worden waren.
Mein Gott, dieser Typ war die Pest.
Ich wollte so gern mit ihm schlafen, dass mir schon bei der Vorstellung ganz
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