Meine Schwester und andere Katastrophen
nicht? Wir haben es getrieben wie die Karnickel, bis du plötzlich keine Lust mehr hattest. Hast du seither einen Test gemacht?« Er überlegte kurz. »Oder ist es nicht von mir ?«
»Weißt du was, George?«, fauchte ich. »Wenn ich wirklich schwanger bin, können wir ja einen Vaterschaftstest machen, wie findest du das?«
Er sah mich an. »Entschuldige, Cassie. Du bist in letzter Zeit so … reizbar. Und ich habe gesehen, wie dieser Macker dich angeschaut hat.«
Alle Männer sehen mich an, wollte ich sagen. Nur dass du das sonst nie registrierst. George kramte im Badezimmerschrank herum. »Da ist er ja«, sagte er und reichte mir den Test. »Pinkel mal drauf.«
Ich seufzte. »Kannst du rausgehen, während ich … mein Geschäft mache ?«, vollendete ich den Satz prüde.
Danach balancierte ich den Stab am Rand des Kalksteinwaschbeckens, wusch mir die Hände und starrte finster in den Spiegel. Meine Wangen waren leuchtend rot, und mein Magen schmerzte. PMS, das war so offensichtlich wie der untypische Pickel auf meinem Gesicht.
George öffnete die Tür. »Darf ich reinkommen?«, fragte er, als er schon halb vor dem Waschbecken stand. Er griff nach dem Stäbchen, und ich hielt den Atem an.
Mein Ehemann wandte sich feierlich zu mir um und verkündete hoheitsvoll: »Schatz, wir erwarten Nachwuchs !«
Lizbet
KAPITEL 21
Georges Eltern hatten uns für Freitagabend eingeladen, und Cassie zuliebe hatte ich zugestimmt, gemeinsam mit Tim hinzukommen. Sie war die Einzige aus meiner Familie, die ich sehen wollte. Aus Gründen, die sie uns nicht offenbart hatte, war sie plötzlich ganz versessen darauf, die perfekte Ehefrau und pflichtbewusste Tochter zu spielen. Es war gespenstisch, aber ich ließ sie machen. Ich hoffte, dass ich dann nicht mehr so unter Druck gesetzt würde. Unsere Eltern waren auch da, und ich spürte, wie ihre Erwartungen auf mir lasteten. Sie witterten Enkelkinder und waren wie zwei Haie, die Blut rochen.
Für sie war es einfach. Totes Baby, Schwamm drüber, versuchs erneut, schwing dich wieder aufs Pferd und bring uns bald gute Neuigkeiten! Sie hielten ihre Fassade aus vorzeigbarem Mitgefühl aufrecht, aber inzwischen stiegen ihre egoistischen Bedürfnisse immer deutlicher an die Oberfläche wie Treibgut in einem Teich. Versagerin, Versagerin, Versagerin. Mein Gehirn begann zu stottern. Außerdem trank ich für ein Mädchen, das nicht trinkt, ganz schön viel und hatte mich bei Barnaby, Cassies Lustobjekt (was nicht zu übersehen war, weshalb George auf der Heimfahrt ein Gesicht wie ein Heilbutt gezogen hatte), zum »Spektakel gemacht«, wie Vivica es ausgedrückt hätte.
»Welche Größe trägst du?«, wollte Mr Hershlag wissen,
der nur mit Mühe über die auf dem Tisch aufgehäuften Speisen blicken konnte.
»Ich?«, fragte ich. Natürlich war ich schon bei ihnen zu Hause gewesen, aber ich war jedes Mal sprachlos angesichts der unglaublichen Menge an gerahmten Familienfotos und Porzellanfigürchen. Ich kam mir vor wie in einem Trödelladen. Alles war alt (bis auf die Küchengeräte, die anscheinend wegen übermäßiger Beanspruchung allesamt in den letzten Jahren den Geist aufgegeben hatten und auf Anraten der Feuerpolizei ausgewechselt worden waren). Nichts passte zueinander. In jedem Zimmer standen Dosen mit Schokowaffeln. Es überraschte mich, dass Cassie, die klare Linien bevorzugte, es hier aushielt.
»Lass es gut sein!«, sagte Mrs Hershlag.
»Habt ihr vor zu heiraten?«, fragte Mr Hershlag, als hätte seine Frau keinen Ton gesagt. »Ich hätte ein Hochzeitskleid für dich. Es ist rosa -«
»Sie will dein Hochzeitskleid nicht!«, fuhr ihn Mrs Hershlag an.
»Schätzchen«, sagte Vivica, deren Lidschatten an diesem Tag ungeheuer blau war, »gibt es etwas, das du uns sagen möchtest?«
»Ja«, sagte Tim. »Wir haben nicht vor zu heiraten.«
Alle verstummten, und ich rutschte verlegen auf meinem Stuhl herum. Ich war in letzter Zeit kühl ihm gegenüber gewesen, aber das war kein Grund, es mir mit gleicher Münze heimzuzahlen.
»Brauchst du ein Kissen?«, fragte Mr Hershlag so unvermittelt, dass ich zusammenzuckte. »Nimm ein Kissen!«
»Aber nein«, wehrte ich ab. »Der Stuhl ist wirklich bequem.«
»Nein, ihr könnt es mit nach Hause nehmen! Nehmt ein Kissen mit nach Hause! Ihr tut mir damit einen Gefallen!«
»Das ist wirklich sehr nett«, sagte ich, »aber wir haben mehr als genug Kissen zu Hause.«
Ich sah Cassie an und erwartete, sie grinsen zu sehen, aber sie war ganz in
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