Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
und dank der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit von Internetbestellungen
und der Fußballbegeisterung der meisten von mir beschenkten Menschen (Vintage-Trikots!) stehe ich meistens ganz gut da, wenn
sich der große Tag nähert. Der Rest bekommt irgendetwas Bajuwarisches, was in Italien ebenfalls wohlgelitten ist (Tipp: tönerne
Maßkrüge, möglichst mit prächtigem Wappen drauf). Luca kriegt ein obskures Architekturbuch aus dem Antiquariat, Pepe Golfbälle.
Aber bei einer Person befällt alle Eingeladenen blanke Panik. Wir blicken uns aus weit aufgerissenen Augen an, wenn wieder
einmal die Frage im Raum steht:
Was schenkst du Minnie?
Vor zwei Jahren hat es nämlich den Super-GAU gegeben, als wir alle eine »tolle Idee« hatten und uns nicht absprachen und Minnie
am Ende des Abends mit 19 Schals dastand. Sie sagte nichts, aber uns tat es wahnsinnig leid. Vor einem Jahr schmissen wir dann zusammen (und brachen
damit die heilige Regel des Jeder-beschenkt-jeden-Reigens) und schickten sie eine Woche zur Kur nach Slowenien. Aber so ein
Gutschein bringt es ja auch nicht – es ist eben, egal was draufsteht, nur ein schnödes Stück Papier.
Für dieses Weihnachten habe ich eine geniale Idee. Ich werde mich an einen Spieler des AC Mailand ranwanzen und mit ihm für
Minnie eine Grußbotschaft aufnehmen, so nach dem Motto: »Hallo Minnie, frohe Weihnachten von deinem deutschen Schwiegersohn
und bleib uns treu. Dein Gennaro Gattuso.« Ich glaube, das wäre der echte Bringer. Ich müsste natürlich mit Gattuso (oder
Kakà oder |108| Paolo Maldini)Arm inArm vor der Kamera stehen. Einfach wird es nicht, aber die ersten Telefonate habe ich schon geführt. Vielleicht
könnte man auch einen kleinen Kurzfilm drehen: Zuerst bin ich im Bild, sitze auf einer Couch und erzähle Minnie, dass ich
nie weiß, was ich ihr schenken soll, dabei liegt sie mir doch so am Herzen usw. usf., und dann kommt Gattuso (Kakà, Maldini)
und fängt an zu plaudern.
Da dieses Buch im Oktober in Druck gegangen ist, kann ich Ihnen nicht mitteilen, ob ich es bis Weihnachten hingekriegt habe,
aber drücken Sie mir in jedem Fall die Daumen. Es könnte meine Stellung innerhalb der Familie entscheidend verbessern. Vielleicht
muss dann mal jemand anders das Wasser schleppen.
|109| Der Maibel ® oder: Abenteuer im Grödnertal, Teil 2
Jetzt war ich schon wieder auf der Skipiste. Die Familie, in die ich eingeheiratet habe, kann unvermittelt von völliger Lethargie
auf verschwitzte Sportlichkeit umschalten, und ich habe manchmal Mühe, diesen Tempiwechseln zu folgen. Lilli und ich fahren
inzwischen gleich schnell, und das ist schon erstaunlich für eine Fünfjährige. Beziehungsweise für einen Sechsunddreißigjährigen.
Wer mich übrigens einmal Ski fahren sehen will: Ich bin immer die dritte Januarwoche in Santa Christina, und auf der Piste
kann man mich wirklich nicht verfehlen. Ich bin der, der um sich herum eine drei Meter hohe Säule aus Pulverschnee aufwirbelt.
Ich bin ein einigermaßen schlechter Skifahrer, aber ich habe eine Technik entwickelt, die es mir immerhin erlaubt, überall
runterzukommen – allerdings nur genau ein Mal. Mein Problem: Ich kann keine Kurven fahren, weil ich mich im ausschlaggebenden
Moment nie entscheiden kann, welcher nun der Bergski ist und welcher der Talski. Und wenn man beim Ansetzen einer Kurve das
Denken anfängt, dann kann es übel enden.
Meine aus dieser Not geborene Technik, die ich noch |110| nirgendwo sonst gesehen habe und die wahrlich nicht der Lehrmeinung der hiesigen Skischule entspricht, heißt »Maiwald’scher
Schneewirbel«, kurz »Maibel ® «. Sie geht so: Man fährt den Berg einigermaßen gerade herunter, bis es einem zu schnell wird. Und dann springt man mit einem
Satz herum, sodass die Ski quer stehen und man bremst. Ich fahre also etwa zwanzig Meter gerade, dann stehe ich quer. Ich
stehe wortwörtlich, bei Tempo Null, und blinzle in die Sonne. Dann bringe ich die Skispitzen wieder Richtung Tal, ramme sie
bald wieder in den Schnee und so weiter, bis ich unten bin. Das verkraften auch bessere Oberschenkel nicht sehr lange, ganz
zu schweigen vom Rücken, und komischerweise schmerzen auch meine Unterarme dabei. Nach einer längeren Piste ist Schluss, und
ich muss einkehren und Kräfte sammeln. Auch sind bei dieser Fahrweise leere Pisten von Vorteil.
Beim »Maibel ® « wirble ich dermaßen viel Schnee auf, dass ich manchmal glaube, direkt hinter
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