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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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arrangieren, und zwar absichtlich. Haufenweise Unhöflichkeiten, Unterlassungen, nicht erwiderte Blicke, nichtssagende Worte. Und wenn wir dann draußen auf der Straße unter Leuten sind, ohne die beruhigende Anwesenheit der Person, die, auch wenn wir sie nicht mehr so zu lieben glauben wie früher, normalerweise doch immer an unserer Seite ist, dann legt sich uns diese ganze aufgestaute Distanz mitten in dem ganzen Lärm und Stimmengewirr auf unsere Seele und wird zu purer Einsamkeit.
    Als ich endlich nach draußen entkommen war, setzte ich mich, anstatt das Weite und ein abgelegenes Plätzchen zu suchen, wo ich mich mit dem Schrecken hätte auseinandersetzen und mir irgendeinen Reim darauf machen können, auf eine der Marmorbänke am Eingang zum Gericht, fror mir den Hintern ab und beobachtete die Passanten (wobei ich mich bei jedem einzelnen fragte, was er hatte, das ich nicht hatte).
    Auf der benachbarten Bank saß ein Forrest Gump-Pechvogel mit einem Tetrapak Tavernello, der manchmal verstohlen zu mir herübersah, als würde er überlegen, ob wir uns nicht schon mal irgendwo begegnet waren. Ich war drauf und dran, ihn zu fragen, ob er mir nicht vielleicht einen Schluck anbieten wolle.
    In dem Moment klingelte mein Handy. Ich zog es fluchend aus dem Jackett – hatte ich allen Ernstes vergessen, es vor der Verhandlung aus- oder wenigstens auf lautlos zu stellen?
    Ich war nicht in der Stimmung, einen Anruf entgegenzunehmen, und schon gar nicht einen von Nives, die mich höchstwahrscheinlich anrief, um mich wegen der Sache mit dem Whiskey für ihre Mutter runterzuputzen; deshalb starrte ich einfach nur apathisch auf das zuckende und lärmende Etwas in meiner Hand, diesen Plastikblutsauger, der wie ein Besessener protestierte. Mein weinseliger Nachbar nickte teilnahmsvoll, so als wäre ihm diese Sorte von Belästigung nur allzu vertraut.
    Ich bemühte mich wirklich standhaft zu bleiben und nicht ranzugehen, aber weil das Scheißhandy einfach nicht aufhörte, meine Untätigkeit anzuprangern, sah ich mich gezwungen, klein beizugeben (tankte jedoch noch einen tüchtigen Vorrat an Sauerstoff, bevor ich ranging).
    »Wenn es wegen dem Jack Daniel’s ist«, schritt ich gleich zum Angriff, »okay, dann bin ich eben dumm, infantil und voll daneben. Wenn’s keine weiteren Beschwerden gibt, dann schließen wir die Sache an dieser Stelle ab, ja?«
    Die Funkstille danach dürfte gut und gern eine Minute gedauert haben.
    »Vince’, ich bin’s, Alagia.«
    Ihre Stimme klang teilnahmsvoll.
    Daraufhin hatte ich eine Vision: ich in einem Theater, mitten auf der Bühne, eingehüllt in einen weißen Lichtkegel; im Parkett und in den Logen dicht gedrängt ein sadistisches Publikum (darunter auch Bekannte), das mit dem Finger auf mich zeigt und mich auslacht.
    »Darf man vielleicht fragen, weshalb du mich verdammt nochmal vom Telefon deiner Mutter aus anrufst?«, hielt ich ihr erbärmlich aggressiv entgegen.
    Der Tavernellotrinker drehte sich nach mir um.
    Bestimmt hatte ich geschrien.
    »Weil bei meinem der Akku leer ist«, sagte sie trocken.
    Ich kniff die Augen zusammen. Alles um mich verschwamm.
    »Hättest du mich da nicht vom Festnetz aus anrufen können?«
    Alagia ließ einen leichten Seufzer los, ehe sie antwortete.
    »Vincenzo.«
    Ganz ruhig, als ob es keinen Grund zur Aufregung gäbe.
    »Was willst du von mir?«
    »Du bist ein Idiot.«
    Da musste ich ihr zustimmen.
    »Hör mal, Kleine, das ist kein guter Tag heute.«
    »›Kleine‹, das sagst du wohl zu deiner Freundin, oder was?«
    ›Gesetzt, die ist noch da, wenn ich nach Hause komme‹, dachte ich bei mir.
    »Ich dachte, deine Mutter wäre dran, verstehst du?«
    Noch ein Seufzer. Alagia wirkte besorgt.
    »Genau über die wollte ich mit dir reden.«
    »Warum sprichst du so leise?«
    »Weil sie im Nebenzimmer ist und mich hören könnte.«
    »Was ist denn los?«
    »Großmutter will sie nicht sehen.«
    »Was?«, fragte ich und schnellte hoch, sowohl wegen der ätzenden Nachricht als auch wegen der Bank, die mir die Pobacken betäubt hatte.
    Der Tavernellotrinker musterte mich besorgt.
    »Du hast ganz richtig gehört. ›Dass ihr mir bloß nicht eure Mutter herbringt!‹, hat sie gesagt. Wortwörtlich.«
    »Aber warum denn, hatten sie Streit?«
    »Ach was. In so einem Moment haben die doch keinen Streit.«
    »Was für ein Teufel hat sie dann geritten?«
    »Wir wissen es nicht, Vince’. Großmutter will keine Argumente hören. Vor allem bringt sie selber keine auf den

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