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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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Tisch. Wenn Mama bei ihr zu Hause auftaucht, spricht sie kein Wort. Oder sie schließt sich im Bad ein, bis sie wieder weg ist, wie gestern. Das ist so was von peinlich, kann ich dir sagen … Und Mama kriegt sich überhaupt nicht wieder ein.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Was für eine blöde Situation. Habt ihr mit den Ärzten darüber gesprochen? Vielleicht hat sie jetzt auch noch Alzheimer dazugekriegt?«
    »Ihr geht’s prächtig, Vince’. Zumindest was das angeht, meine ich. Im Kopf ist sie klarer denn je. Wenn du nur sehen könntest, wie sie Rumänisch lernt, durch das ständige Üben mit Miorita … Echt unglaublich!«
    Miorita. So heißt die Pflegerin von Ass.
    »Das ist ja irre.«
    »Und da ist noch was.«
    »Was denn?«
    »Sie fragt andauernd nach dir.«
    »Nach wem?«
    »Offenbar bist du der Einzige, den sie gerne sehen würde, mal abgesehen von mir und Alfredo; aber auch bei uns muss man das genau genommen einschränken. Das heißt, sie hat nichts dagegen, dass wir sie besuchen kommen, aber richtig Lust hat sie offenbar nicht auf uns. Dich hingegen, dich erwähnt sie immerzu.«
    »Das wird der Jack Daniel’s gewesen sein.«
    Als der Name fiel, drehte sich mein Banknachbar wieder nach mir um.
    »Weißt du, dass ich mir das auch gedacht habe? Andererseits bist du aber schon immer ihr Liebling gewesen.«
    »Okay, du kannst aufhören, mich zu belatschern, ich hab schon verstanden.«
    Eine Pause, die Einverständnis signalisiert.
    »Vince’, Mama ist wirklich deprimiert. Ich würde dich nicht anrufen, wenn es nicht dringend wäre.«
    »Ich kann Assunta aber nicht dazu zwingen, sich mit deiner Mutter zu treffen, wenn sie keine Lust dazu hat«, gab ich zu bedenken. »Siehst du das ein?«
    Schweigen.
    So, da hast du’s wieder, dein Schuldgefühl!
    »Hey«, sagte ich sofort und gab wieder einmal den Fußabtreter (irgendwie ein vertrautes Gefühl), »bist du noch da?«
    »Ja«, antwortete das Luder mit der genau richtigen Dosis an Niedergeschlagenheit.
    »Ich wollte sagen, ich versuche mein Bestes, okay?«
    »Okay. Danke.«
    Pause. An deren Ende mir danach war, eine spontane Erklärung loszuwerden.
    »Aber du kannst mich mal.«
    Im ersten Augenblick war Alagia sauer.
    »Warum?«
    »Weil du genau weißt, wie du es anstellen musst, dass ich mich schuldig fühle. Da bist du fast noch hinterfotziger als deine Mutter. Ist die übrigens auf dem Laufenden, was deinen Plan betrifft?«
    »Wo denkst du hin! Du weißt doch, dass sie solche Vermittlungsversuche hasst wie die Pest.«
    »Ah, richtig. Ihre hehren Prinzipien. Hatte ich fast vergessen.«
    »Ich muss dich übrigens um noch was bitten.«
    »Und das wäre?«
    »Na ja, wir müssten es so anstellen, dass sie von deinem Besuch bei Großmutter nichts erfährt.«
    Ich brauchte ein klein wenig, bis ich den Gedankengang meiner Tochter nachvollzogen hatte.
    »Sonst noch was?«, ätzte ich. »Jetzt soll ich die Beziehung zu deiner Großmutter also auch noch heimlich pflegen, bloß damit ich die strengen Grundsätze deiner Mutter nicht verletze? Jetzt hör mir mal gut zu, Prinzessin«, legte ich nach (allmählich fand ich Geschmack an unserer Auseinandersetzung), »erst bittest du mich um einen ziemlichen Gefallen, und dann soll ich ihn auch noch vor ihr verstecken. Nee, nee – bei allem, was recht ist: Dazu bin ich nicht bereit!«
    Alagia nahm sich einen Moment Zeit zum Gegenangriff.
    »Herrgottnochmal, Vince’!«, redete sie mir dann ins Gewissen. »Versetz dich doch mal in ihre Lage: deine Mutter stirbt an Krebs und du kannst ihr nicht beistehen, weil sie dich nicht sehen will und stattdessen ständig nach deiner Ex- (und ich betone, Ex- )Frau fragt. Würde dich das nicht runterziehen? Meinst du nicht, es wäre nobler von dir, ohne Wissen deiner Ex- (und ich betone, Ex -)Frau nach einer Lösung für die absurde Situation zu suchen, anstatt damit anzugeben?«
    ›Shit‹, dachte ich.
    Ich kann es nicht ausstehen, wenn jemand meint, meine Rechte beschneiden zu müssen und sie dem Gebot oder den Bedürfnissen von anderen unterzuordnen – wenn ich also zwangsläufig den Kürzeren ziehe. Und ich Depp lasse das immer wieder mit mir machen, obwohl ich meine ganz eigenen Probleme habe und obwohl nirgendwo geschrieben steht, dass ich mich dauernd einspannen lassen muss für irgendwelche Sachen, von denen ich nicht mal was habe.
    Zum Beispiel jetzt gerade. Ich sitze friedlich auf einem Bänkchen und schlage mich mit meinen ureigenen Sorgen rum, ohne irgendjemanden damit zu

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