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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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– nach Sciumos Aussage – gar nicht mehr auf zu lachen, bis sie ihn eingebuchtet hatten).
    Diesen Idioten musste ich also verteidigen. Und weil ich wusste, dass er sich gerne aufspielte, hatte ich ihm dringend geraten, den Mund zu halten und mich machen zu lassen (vor allem, weil ich mich bereits ganz unbürokratisch mit dem Staatsanwalt abgesprochen hatte und es nur noch darum ging, das Vorgedruckte auszufüllen). Und er? Dieser unterentwickelte Gibbon, dieser gefährliche Idiot – der Teufel soll ihn an seinem freien Nachmittag holen – hatte nichts Besseres zu tun, als direkt nach der Verlesung der Anklageschrift mit lauten Würgegeräuschen seinen Rotz auf den Boden zu gurgeln. Ich sage dir: Nie, in keiner auch noch so kitzeligen Situation, hatte ich mir so sehr eine Naturkatastrophe herbeigewünscht, die jede Form von Leben (vor allem meines), das im Gedächtnis behalten könnte, was soeben passiert war, auslöschte.
    ›He, Malinconico, bist du noch da?‹, hatte der Kollege mich gefragt, da ich, betäubt von der Wiederkehr der entsetzlichen Erinnerung, keinen Piep mehr sagte.
    ›Ja, ’tschuldige, ich war gerade kurz … abgelenkt.‹
    ›Also? Was machen wir?‹
    Und ich (schlagartig wieder in der Wirklichkeit gelandet): ›An dieser Stelle brauchen wir überhaupt nicht weiterzureden.‹ Genau so. Trocken. Im Brustton der Überzeugung. Und ich wäre auch keinen Millimeter von dieser Position abgewichen, hätte Comunale, Vittorio nicht darauf bestanden, die Sache hier und jetzt zu Ende zu bringen. (›Sorgen Sie dafür, Herr Anwalt, dass ich eine halbwegs gerechte Summe kriege, ich will einfach nur noch meine Ruhe.‹)
    Wenn man an die Opfer von Arbeitsunfällen denkt und versucht, sich in sie oder ihre Angehörigen hineinzuversetzen, stellt man sich vor, sie seien wild entschlossen, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. So ist es aber nicht. Wer sich bei der Arbeit verletzt, der ist fürs Leben gezeichnet. Geschwächt und irgendwie für immer mutlos, wie nach einer Herzoperation. Und die Familie nicht minder (›Herr Anwalt‹, sagte Comunales Frau mal am Telefon zu mir, ›mein Mann ist kaputt ‹).
    »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht indiskret sein.«
    Mit diesem Satz kommentierte der Ingenieur Romolo Sesti Orfeo den Untergang meiner kriegerischen Absichten in Bezug auf den Fall seines alten Freundes.
    »Nein, im Gegenteil, es tut mir leid, wenn ich Ihnen ein wenig abweisend erschienen bin«, wiegelte ich meinerseits ab. »Offenbar hängt mir diese Sache immer noch n…«
    Den Rest des Satzes ließ ich in der Luft hängen, weil die Aufmerksamkeit von Ingenieur Romolo Sesti Orfeo plötzlich – buchstäblich von einer Sekunde zur nächsten – ganz von einem der Live-Monitore in Beschlag genommen wurde, die hier und da von der Decke des Supermarkts hingen. Er starrte fasziniert hinauf zu dem Bildschirm in meinem Rücken, exakt gegenüber von der Eierlasagne (kann mir eigentlich irgendjemand sagen, warum sie die immer so weit oben einsortieren?).
    Verwirrt drehte ich mich um und folgte seinem Blick. Ich rechnete mit einer affenscharfen Frau oder mindestens einem Raubüberfall – aber auf dem Monitor war schlichtweg gar nichts zu sehen, was die Ablenkung gerechtfertigt hätte; nur ein billiger Matrix -Verschnitt mit Zöpfchen und Regenmantel. Der nickte wohlwollend der automatischen Eingangsschranke zu, als hätte die kapiert, mit wem sie es da zu tun hatte, und wäre deshalb von selbst für ihn aufgegangen.
    »Stimmt was nicht?«, fragte ich und richtete meine enttäuschten Augen wieder auf Ingenieur Romolo Sesti Orfeo. Der Dialog fing an, mich zu nerven.
    »Wie? Ah, nein, entschuldigen Sie bitte«, sagte der, jäh aus seiner Trance gerissen. »Es kam mir nur gerade so vor, als würde es sich der Monitor dort, na ja …« – hier hatte ich den Eindruck, dass er improvisierte – »… ein wenig bequem machen.«
    Ich muss ziemlich dämlich aus der Wäsche geschaut haben, denn er fühlte sich sofort bemüßigt, mir zu erklären, wovon er genau redete.
    »Die Videoüberwachungsanlage wird vom Zentralcomputer gesteuert. Sobald ein Kunde den Supermarkt betritt, erfasst das der Kamerasensor und überträgt es automatisch auf die Monitore; der Computer zeichnet das dann alles auf der Festplatte auf. Manchmal kommt es aber vor, dass ein Monitor für einige Sekundenbruchteile stehen bleibt, als ob sich das System einen Moment mehr Zeit nimmt, um einen besonders großen Datenhappen zu verdauen. Ich weiß

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