Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Selbst dann.
Nebeneffekte des Publikumserfolgs
Wenn ich am helllichten Vormittag und mitten unter der Woche in einen Supermarkt gehe – und wenn dieser Supermarkt dann auch noch am anderen Ende der Stadt liegt, dann ist das gar kein gutes Zeichen. So gut kenne ich mich schon.
Wenn bei mir was in Schieflage gerät (zumal, wenn nach außen hin alles glattzulaufen scheint), dann überkommt mich eine solche Unrast, ein derartiger Frust, eine Hummeln-im-Hintern-Panik, dass ich einfach losziehen muss. So dringend, als ob ich was Verlorenes wiederfinden müsste. Weil ich in diesen Situationen aber nicht einfach losziehen und nach was Bestimmtem suchen kann (weil ich ja gar nicht weiß, was mir überhaupt fehlt), ich aber diese Unruhe im Leib habe, die mich daran hindert, einen einfachen Spaziergang zu machen (für einen einfachen Spaziergang braucht man nämlich ein reines Gewissen), denke ich mir irgendwelche Belanglosigkeiten aus, die ich unbedingt und selbstverständlich am besten sofort erledigen muss. So was wie die Sache mit dem fettreduzierten Pesto von Buitoni eben.
Tatsache ist, dass bei mir so allerhand in Schieflage geriet, seit Alessandra Persiano bei mir eingezogen ist: Erstens haben etliche Kollegen aufgehört, mich zu grüßen. Und zweitens grüßen mich jetzt viele, die mich früher einfach ignoriert haben.
Selbstverständlich besteht zwischen den einen und den anderen kein Unterschied: In beiden Fällen geht es um Neid.
Besonders einer (er heißt Massimo Corrente – oh, pardon, bitte keine Namen!) ist mittlerweile zum handfesten Problem geworden. Er lauert mir vor den Sitzungssälen auf und wirft mir auf den Fluren herausfordernde Blicke zu (manchmal stemmt er sogar die Fäuste in die Hüften, um all dem noch mehr Nachdruck zu verleihen. Fehlt nur noch, dass er mich fragt: ›Entschuldige, kannst du dich vielleicht ein wenig ins Profil drehen – du störst mein ästhetisches Raumempfinden? Danke!‹). Gerne geht er auch schnaubend an mir vorbei, wenn ich gerade mit einem Kollegen oder (seltener) einem Mandanten im Gespräch bin. Und schließlich belästigt er mich mit anonymen Anrufen (mit äußerst fantasielosen noch dazu: entweder sagt er gar nichts oder er gibt irgendwelche gutturalen Keuchlaute von sich).
Eines Abends, als ich das ständige Telefonklingeln nicht mehr aushielt, flötete ich als letzten Versuch in den Hörer: »Komm schon, du alte Drecksau, sag mir, was du anhast, ich bin schon in Unterwäsche!« Da gab er endlich auf und unterließ seitdem wenigstens die Anrufe. Aber wenn er nicht aufhört, mich physisch zu verfolgen, zeige ich ihn wegen Stalking an. So wahr mir Gott helfe.
Kurz und gut: Dass viele Kollegen meine neue Love Story nicht schlucken wollen, ist mittlerweile eine ziemlich lästige Angelegenheit geworden. Nicht schlimm, okay, aber doch mit allen wesentlichen Merkmalen, wie sie die wirklich lästigen Sachen ausmachen: die hohe Frequenz der Angriffe, die Verbohrtheit des Gegenübers, seine fehlende Flexibilität bei der Wahl der Gesprächsthemen.
Damit will ich jetzt zwar bestimmt nicht sagen, dass das der Grund für unsere Probleme ist, die Alessandra Persiano und ich neuerdings haben, aber der Umstand, dass ein kleines Heer von Verzweifelten sich tagaus tagein ins Zeug legt, um mich fertig zu machen, bleibt für meine Paarbeziehung nicht ohne Folgen.
Okay, am Anfang hat der Erfolg etwas Befriedigendes. Dass das Publikum deine Qualitäten anerkennt, freut dich natürlich. Besonders wenn deine Qualitäten durch ein Prachtweib unter Beweis gestellt werden, nach dem sich die Leute auf der Straße umdrehen (von den Anwälten bei Gericht ganz zu schweigen). Und besonders, wenn du als Anwalt eine ziemliche Pfeife bist.
Sagen wir’s doch einfach, wie es ist: Das Schöne am Erfolg ist, das Unterlegenheitsgefühl in den Augen deines Gegenübers aufblitzen zu sehen. Ein ordinäres, doch unendlich süßes Gefühl, das niemandem zur Ehre gereicht, das aber alle anstreben.
Bei allem Verständnis – diese penetranten Typen, an denen ein Pförtner verloren gegangen ist und die dir jedes Mal, wenn du an ihnen vorbeigehst, böse Blicke zuwerfen, gehen dir nach einer Weile dann aber doch so sehr auf den Wecker, dass du sie am liebsten zur Rede stellen und fragen würdest: ›Sag mal, was genau ist dein Problem? Bin ich in deinen Augen ein solcher Hanswurst, dass keine schöne Frau mit mir zusammen sein will? Oder hattest du dir womöglich irgendwelche Chancen bei ihr
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