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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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ist das Maß jetzt endgültig voll! Alles was recht ist, aber so geht’s nicht! Sich von der dummen Kuh auslachen zu lassen ist nicht mehr tolerabel.
    »Okay«, setze ich empört zum Gegenschlag an, »dann hören Sie endlich auf, uns mit Ihrem Fernsehprozess und Ihrem Genörgel über das Justizsystem die Zeit zu stehlen. Ich persönlich bin es mittlerweile wirklich leid, hier rumzustehen und Ihnen den Rücken zu stärken. Na los, drücken Sie schon ab, dann können wir endlich nach Hause gehen.«
    Ruckartig dreht mir Matrix den Kopf zu – meine Provokation, die (wie erwartet) bewirkt, dass Ingenieur Romolo Sesti Orfeo die Pistole sinken lässt, um mir zu antworten, hat ihn offensichtlich zu Tode erschreckt.
    »Allmählich empfinde ich Ihren Sarkasmus als beleidigend, Herr Anwalt.«
    Ich kann es kaum glauben, dass er das wirklich gesagt hat. Er hatte bislang garantiert noch nie die Rolle eines Richters inne, und doch adaptiert der Ingenieur die geschwollene Redeweise der Rechtsprecher perfekt. Offensichtlich ordnet unser Unterbewusstsein bestimmten Situationen oder Personengruppen typischen Sprachhöhen oder Sprechweisen zu, die man, sobald man in eine Rolle schlüpft (und sei sie angemaßt), automatisch und instinktiv in den eigenen Wortschatz übernimmt.
    »Ich staune«, sage ich deshalb. »Ist Ihnen klar, dass Sie schon daherreden wie ein Richter in der Verhandlung? Was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie mich wegen Beleidigung der hohen Gerichtsbarkeit zur Rechenschaft ziehen?«
    Er zieht den Kopf ein wenig nach hinten. »Wenn das alles ist, was Sie zur Verteidigung Ihres Mandanten vorzubringen haben, werden Sie das Verfahren wohl verlieren, Herr Anwalt Malinconico«, sagt er dann sachlich.
    Matrix schaut mich mit verständlicher Angst an, doch ich habe keinerlei Ehrgeiz, ihn in mein mageres Mandantenportfolio aufzunehmen.
    »Und wenn Sie glauben, Sie hätten Ihrem Sohn mit der ganzen Aktion einen Dienst erwiesen, dann irren Sie sich gewaltig.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Sie haben nichts für ihn getan, glauben Sie mir. Außer dass Sie ihn berühmt gemacht haben, natürlich« – an dieser Stelle erhebe ich die Hände theatralisch zu den Überwachungskameras –, »was mir kein großartiger Erfolg zu sein scheint, wenn ich das ganz ehrlich sagen darf.«
    Er sperrt die Augen auf, in denen plötzlich so etwas wie Zustimmung aufblitzt.
    Was in mir den Ehrgeiz weckt, ihn vollends zu überzeugen.
    »Diese ganze Inszenierung beweist nichts. Sie beweist weder die Schuld dieses Mannes noch die Unschuld Ihres Sohnes. Wir haben keinerlei Grund, Ihnen Glauben zu schenken.«
    Wieder höre ich ein ›Uaaa‹, allerdings ein paar Oktaven tiefer.
    »Massimiliano hatte keine Schuld«, antwortet er mit deutlich aufgerauter Stimme, »er hatte einfach nur Pech – dass er sich am falschen Ort befand.«
    »So wie Sie jetzt.«
    »Was?«
    »Sie wollten das Fernsehen haben? Gut, da haben Sie es. Wenn Sie hier rauskommen, vorausgesetzt, Sie landen nicht sofort hinter Gittern, werden Sie ein Interview nach dem andern geben. Namhafte Anwälte werden sich Ihnen reihenweise als kostenlosen Rechtsbeistand anbieten, denn sie können es kaum erwarten, bei Porta a Porta , wo man Sie zweifellos einladen wird, neben Ihnen zu sitzen. Möglicherweise wird man über diese Geschichte auch eine Dokufiktion drehen. Morgen früh werden die Leute in den Bars ihre Meinungen über die Unschuld Ihres Sohnes austauschen. Für sie wird das Ganze kaum mehr als ein Klatschgegenstand sein. Entweder sie werden an Ihrer väterlichen Tragödie Anteil, oder sie verurteilen Ihr Tun mit einem Achselzucken.«
    Einen Moment atme ich durch, auch wenn ich diesmal nicht hetze, weil ich fühle, dass ich weiß, wovon ich rede.
    Und vermutlich weiß der Ingenieur es auch, so ruhig, wie er mir zuhört.
    Vor lauter Aufmerksamkeit hat er nicht mitbekommen, dass Mulder mittlerweile von sämtlichen Bildschirmen verschwunden ist.
    Einige Sekunden später sehe ich ihn auf dem Monitor, der abwechselnd die Gänge erfasst: Er kriecht am Keksregal entlang wie eine Kanalratte auf Schnuppergang.
    Ich hoffe nur, der Kameramann von Mary Stracqua und der von der Rai richten ihre Kameras jetzt nicht auf den Monitor, sondern bleiben auf uns dreien!
    Wenn das hier schiefginge, würde nämlich der Alarmruf einer einzigen Hyäne genügen, und das Chaos würde losbrechen.
    Mein Herz rast, aber ich versuche, mir das nicht anmerken zu lassen, und rede mich weiter um Kopf und Kragen – um Romolo

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