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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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Sesti Orfeo zögert und hält weiterhin den Kopf gesenkt.
    »Herr Ingenieur!«, ruft Mulder mahnend (und realisiert offenkundig nicht, dass er den Befehl damit unausgesprochen doch wiederholt – und sich selbst Lügen straft).
    Romolo Sesti Orfeo hebt den Blick, schaut ihn an, dreht ruckartig sein Handgelenk nach oben und zielt sich mit der Pistole direkt ins Gesicht.
    Mulder weicht zurück.
    Wie versteinert stehen wir alle da.
    Selbst Matrix wirkt betroffen.
    »Nein«, schreit Mulder.
    Dann schnellt er vor, aber zu spät.
    Damit hat nun wirklich niemand von uns gerechnet.

Adrianaaa!
    Einfach ist es wohl nicht, auf sich selber zu schießen. Sonst ließe sich nicht erklären, warum es so viele versuchen und es nicht hinkriegen.
    Vielleicht wird es durch die große Nähe komplizierter.
    Vielleicht zittert einem die Hand dabei zu sehr.
    Vielleicht missbilligt im Moment des Abdrückens ein Teil von uns den Plan und bemüht sich nach Kräften, ihn zu sabotieren.
    Vielleicht muss man in der Wahl der Stelle, auf die man schießt, sehr genau sein.
    Wer weiß, wie das bei dem Ingenieur gelaufen ist. Wir waren da, aber gesehen haben wir herzlich wenig.
    Bei mir kommt noch hinzu, dass ich von dem Augenblick, in dem der Schuss fiel, bis zum Verlassen des Supermarkts nur noch verschwommene Erinnerungen habe (übrigens wurde ich am Ausgang, das will ich nicht unerwähnt lassen, mit einem absurden Applaus empfangen, wie ein Star aus dem Fernsehstudio, und ich weiß nicht, ob mich das wacher oder noch apathischer gemacht hat): Wenn ich versuche, die Ereignisse seit dem Schuss zu rekonstruieren, ergibt sich bloß eine wirre Abfolge von Flashs und mehr oder weniger scharfer Filmbilder, die auftauchen, wann sie wollen, sich mal aneinanderfügen, manchmal reiben, wie am Morgen die Träume, die zum Teil von selber ankommen und zum Teil Produkt deiner Fantasie sind.
    Ich sehe die Vermummten des Sondereinsatzkommandos – ausstaffiert wie Diabolik, wenn er in fliegender Eile rausmuss und es nicht mehr schafft, sich die Strumpfmaske überzustreifen –, die Vermummten des Sondereinsatzkommandos also, die ins Gebäude eindringen, kaum dass Mulder sich auf den leblosen Körper von Ingenieur Romolo Sesti Orfeo gestürzt hat.
    Dann sehe ich mich und weiß, dass ich leise sage: ›Auch schon da?‹ (aber so leise, dass sie mich nicht hören können).
    Sehe Matrix, der brummt, als wäre sein Mund überhaupt nicht zugeklebt. Vielleicht bereitet er sich darauf vor, einen epileptischen Anfall zu markieren.
    Dann zwischendurch zwei Diaboliks, die sich auf ihn stürzen, entweder um ihn ruhigzustellen oder um ihn loszumachen.
    Matrix, der behauptet, sie täten ihm weh.
    Ich, der ich denke: ›Mach dir doch in die Hose, du Arsch.‹
    Der nächste Flash: Einer der Diaboliks, der ihm sagt, er solle den Rand halten.
    Dann ich, der ich denke: ›Jawohl, genau!‹
    Ich sehe Mulder, der den Ingenieur Romolo Sesti Orfeo in den Armen hält, ihm den Kopf hochhält, sich die Uniform mit Blut bespritzt und etwas schreit, was ich nicht hören kann – weil sich schlagartig alles gedämpft anhört –, aber ich verstehe es (oder glaube das zumindest), weil ich es ihm von den Lippen ablese.
    ›Er atmet noch‹, scheint er zu sagen.
    Vier hervorragend ausgerüstete und perfekt aufeinander eingespielte Sanitäter.
    Ich sehe die Wiederbelebungsversuche.
    Den Sauerstoff.
    Der nächste Flash: Ingenieur Romolo Sesti Orfeo, der auf einer vierteiligen, aufklappbaren Trage aus Metall liegt, die ihm die Sanitäter unter den Rücken geschoben und so zwischen sich angehoben haben, dass sein Körper möglichst wenig bewegt wird.
    Ich sehe, dass die Bildschirme auf einmal alle ausgeschaltet sind.
    Sehe Matrix, der in neuen Handschellen abgeführt wird.
    Flash. Noch ein Diabolik, der geradewegs auf mich zukommt und mir beim Aufstehen hilft (offenbar bin ich hingefallen).
    Flash. Ein intensives, aber genauestens aufeinander abgestimmtes Hin und Her von Profis unterschiedlicher Kompetenz, die sich nach Kräften bemühen, die Szenerie der Geiselnahme durch Aufräummaßnahmen in den Griff zu kriegen.
    (Dennoch liegt in dieser frenetisch betriebsamen Wiederherstellung des Status quo ante etwas Gewaltsames: wie eine erzwungene Instandsetzung der Normalität, die im Angesicht ganz egal welcher Tragödie so schnell wie möglich wieder vertrauenerweckend wirken soll.)
    Ich höre die Dolby-Stimme des zu meiner Betreuung abgestellten Diabolik, die mich extrem freundlich fragt, ob es mir

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