Meine Seele weiß von dir
Ordnung zu bringen oder es wenigstens zu versuchen, hm?“
„Um dich ein weiteres Mal zu verlieren, wenn du dich an ihn erinnerst und zu ihm zurückwillst?“, bricht es aus ihm hervor.
„Das wird niemals passieren!“ , insistiere ich mit Inbrunst.
Er gibt einen skeptischen Laut von sich, den ich ignoriere.
„Leander, ich habe dich in der Vergangenheit geliebt, ich tue es jetzt und ich weiß, dass es auch in Zukunft so sein wird.“ Mit einer Faust schlage ich mir gegen den Brustkorb, an die Stelle, wo mein Herz wie wild schlägt. „Ich fühle es hier drinnen.“
„Es geht hier doch nicht nur um dich und mich, Herrgott noch mal!“ Seine Augen sprühen vor Zorn. „Wenn sich diese verfluchte Geschichte noch einmal wiederholen sollte, dann bin ich am Ende nicht der Einzige, der allein zurückbleibt. Verstehst du?“
„Du meinst Claudia?“
„Ja“, räumt er ein. „Auch.“ Er macht eine kurze Pause, bevor er weiterspricht. „Ich bin dabei, mir ein neues Leben einzurichten. Ich habe keine Ahnung, ob Claudia einen festen Platz darin findet oder nicht. Und ihr geht es umgekehrt ähnlich.“
Es ist schäbig, doch diese Information lässt mich innerlich frohlocken.
„Aber eines kann ich dir versichern , Sina: Du bist in diesem neuen Leben nicht vorgesehen.“ Damit ist das Gespräch für ihn beendet.
Bevor er nach unten geht, wendet er sich mir ein letztes Mal zu. „Du bleibst hier“, befiehlt er und sein Ton gestattet keinen Widerspruch. „Ich will nicht, dass du Rainer Maria noch einmal siehst.“
„Was wirst du mit ihm machen?“
„Ihn oben bei der Linde begraben.“
„Das ist eine schöne Stelle.“
„Ja. Ja, das ist eine sehr schöne Stelle.“
Dann ist er fort, lässt mich einfach stehen.
Am liebsten würde ich weinen.
Aus dem Erdgeschoss dringt Stimmengemurmel nach oben. Gleichzeitig verbreitet sich der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee. Ich ignoriere es, reiße mich aus meiner Erstarrung und folge Leanders nassen Fußspuren, die er auf dem Weg zum Schlafzimmer im Korridor hinterlassen hat.
Er hat sich aus seinen wenigen noch verbliebenen Sachen etwas Trockenes zum Anziehen herausgesucht, bevor er zu diesem grauenhaften Pool gegangen ist, um meinen armen Rainer Maria aus dem Wasser zu ziehen.
Nachlässig werfe ich mir ein Kleid über, föhne mein Haar und ziehe mich in den Schutz meines Schrankes zurück. Hier, in dem Halbdunkel und der Lautlosigkeit, fühle ich mich wieder einmal wie in einem sicheren Schrein.
Ich höre die Tür zuschlagen, als Frau Hischer geht. Ich höre Leander kommen und beantworte durch die geschlossenen Schwebetüren alle seine Fragen: Nein, ich habe die Stimme nicht erkannt, und ja, ich habe das Band des Anrufbeantworters gelöscht. Nein, mir ist nichts Ungewöhnliches an dem Anrufer aufgefallen. Ja, es geht mir den Umständen entsprechend gut.
Ich weiß, dass er weiß, dass es eine Lüge ist. Ich weiß es, weil er sagt: „Wir werden gleich mit Yvonne Vogel reden, Sina. So geht das einfach nicht weiter! Ich bin nicht länger der Meinung, dass es richtig ist, auf das Einsetzen deiner Erinnerung zu warten. Du solltest alles, was du wissen möchtest, fragen und durch uns eine Antwort darauf erhalten. Selbst das, was du nicht wissen möchtest, solltest du erfahren.“
Noch vor wenigen Tagen hätte ich ihm vorbehaltlos zugestimmt, mein Umfeld zur Rede gestellt, um danach die entsprechenden Informationen, die ich zutage gefördert hätte, auswendig zu lernen. Ich hätte sie meinem Alltag hinzugefügt, um nach ihnen zu leben. Ich wäre in meine Rolle geschlüpft, in die Rolle der Sina-Mareen. Sie hätten mir ein Stichwort zugerufen, und ich hätte danach gehandelt. Ohne etwas zu begreifen.
Doch das wird nicht mehr funktionieren, weil ich nicht Sina-Mareen bin. Und ich will es auch nicht sein! Es hat mich kein bisschen weitergebracht so zu tun, als wäre ich sie. Ich sitze noch immer in meinem Schrank. Genauso gut könnte ich mir die Biografie irgendeiner Frau dieses Planeten nehmen, sie studieren und einpauken und danach agieren.
Nach außen würde es wahrscheinlich ganz gut funktionieren, aber in mir drin bliebe alles schrecklich leer, da wäre eine pechschwarze Stelle, so wie jetzt. Ich würde mich selbst nicht kennen .
Und das bringt mich dazu, Leander zu widersprechen. „ Soll ich dir mal was verraten, Leander?“ Jetzt höre ich mich schroff und abweisend an, aber das will ich auch. Ich schiebe die Schranktür ein Stück auf. Er kniet
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