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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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vermutlich, weil er meinem Leander gleicht.
    Diese Tatsache macht mich ganz anschmiegsam und nachgiebig. Ich entspanne mich und schließe erschöpft meine Lider.
    Ich höre sein Herz klopfen. Es schlägt ziemlich schnell und seine Arme umschließen mich fester. Er legt seine Wange auf meinen Kopf und wiegt mich und ich denke, wie wunderbar es ist , so eine Familie, solche Freunde zu haben.
    „Du Arme“, murmelt er in mein Haar.
    Wenn ich die Augen weiter geschlossen halte und ihn bitten würde zu schweigen, wenn ich mir darüber hinaus gut zuredete, dann könnte ich mir möglicherweise einbilden, dass er Leander ist.
    Mein Leander. Meine einzige Liebe. Komm. Küss mich.
    Moment mal ... was, zum Teufel, denke ich da gerade eigentlich?!
    Ich schiebe Rick einigermaßen sacht, aber bestimmt, von mir. An seinem Arm zerre ich ihn praktisch wie einen störrischen Esel in Richtung Haustür. Wohl oder übel muss er mir folgen. „Grüß Moni von mir“, trage ich ihm auf. „Und das Baby.“
    Er verdreht die Augen.
    Ich hebe die Hand zu einem kurzen Gruß und schließe die Tür hinter ihm. Für einen Moment bleibt er draußen stehen, dann trottet er davon.
    Schwer atmend lehne ich mich mit dem Rücken gegen das Türblatt. Mein Kater meldet sich wieder. Also rufe ich in Doktor Yvonnes Praxis an und sage bei ihrer Sprechstundenhilfe den Termin wegen Unwohlsein ab. Danach gehe ich ins Schlafzimmer, in meinen Schrank, wo ich mich auf der Decke zusammenrolle und mich auf die Seite lege. Ein weiterer Erinnerungsblitz zuckt auf.
     
    *
     
    Wenn ich als Kind mit Lisa gestritten oder meine Mutter mit mir geschimpft hatte oder mein Vater böse auf mich oder ich einfach nur traurig war, versteckte ich mich in der hintersten Ecke meines Kleiderschrankes.
    Ich riss Mäntel und Jacken herunter, breitete sie wie ein Nest über die Schuhe und schaffte mir so ein bequemes Polster, auf dem ich mich zusammenrollte, klein, ganz klein.
    Sobald ich die Türen zugezogen hatte, war ich an einem anderen Ort. Hier lief die Zeit langsamer. Alles war stiller, gedämpfter: Geräusche , Gerüche und das Licht erschienen wie gefiltert. Es war friedlich. Ich war da und doch nicht da. Alles war gut. Manchmal schlief ich ein.
    Oder ich lauschte, wie meine Mutter nach mir rief, während sie so tat, als wüsste sie nicht, wo ich war.
    Ich hörte Lisas Kleinmädchenstimme, die behauptete, dass sie überall nach mir gesucht hätte, und dabei verschwieg, dass sie mein Versteck sehr wohl kannte. Irgendwann sagte mein Vater: „Ach, lass sie doch. Sie wird schon wieder auftauchen. Spätestens, wenn sie Hunger hat.“
     
    *
     
    Mehr Steinchen des Mosaiks werden erkennbar. Schultage wechselten sich mit Ferien ab, Jahreszeiten kamen und gingen, Zeit verstrich, Jahre, in denen zwei Schwestern von Kindern zu Teenagern und schließlich zu Frauen heranwuchsen. Manche Erinnerungen werden deutlich. Aber bei Weitem nicht alles! Nicht das Wichtigste, nichts über Leander, gar nichts über uns.
    Mittlerweile ist das Zwielicht, das tagsüber im Kleiderschrank herrscht, einer vollkommenen Finsternis gewichen. Das dringende Bedürfnis, zur Toilette zu gehen, und ein quälender Nachdurst rütteln mich auf. Als ich herauskomme, zeigt die Digitalanzeige des Weckers 0.45 Uhr. In einer Viertelstunde fängt Leander Late Night an.
    Ich gehe erst ins Bad und danach in die Küche, wo ich mir einen Tee aufbrühe, eine Tomate viertele und mir ein Käsebrot dazu mache. Ich bin ganz erfüllt von meinen wiedergewonnenen Erinnerungen und dem starken Verlangen, mich endlich mehr an Leander zu erinnern.
    Es ist drei Minuten nach eins. Ich trage mein Tablett in Leanders Arbeitszimmer, schalte den Fernsehapparat ein und mache es mir in seinem Sessel gemütlich.
    Als sein Gesicht auf dem Bildschirm auftaucht, seine grünen Augen in die Kamera blinzeln und er lächelt, schießt mir alles Blut zum Herzen.
    Ich schließe meine Lider und seine Stimme berührt mich überall. Sie küsst mich und fährt durch mein Haar, sie umarmt mich und haucht Sehnsucht in mein Ohr.
    Der Bann wird erst gebrochen, als ein junger Mann anruft, Thomas, und offenbart, dass er sich in einen Grabengel aus weißem Marmor verliebt hat. Nachts schleicht er auf den Friedhof, um dem Engel, den er Gabriella nennt, nahe sein zu können.
    „Aha“, bemerkt Leander. „Und was tust du, wenn du bei Gabriella bist?“
    „Ihre Füße küssen. Es sind schöne Füße. Sie sind weiß, fest und kühl. Ich kann einfach nicht aufhören,

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