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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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sieht er mir in die Augen und zwingt mich, seinem Blick standzuhalten. Nachdenklich beißt er sich auf die Unterlippe. Dann bringt er ein halbwegs schiefes Grinsen zustande. „Sina“, fordert er mich auf. „Erzähl mir von diesem seltsamen Erlebnis im Wald. Bitte.“
     
     
    Kapitel 39
     
    Der Wald kam bald in Sicht.
    Ich ging weiter darauf zu und in den friedlichen Schatten, die die Bäume in der Abendsonne warfen, wurde ich allmählich ruhiger.
    Die Grübeleien in der Abgeschiedenheit meines Ateliers hatten mir Kopfschmerzen verursacht. Ich begann langsam und tief zu atmen, und meine Lungen füllten sich mit der sauerstoffreichen Luft, die auch meine sich fiebrig anfühlende Stirn und die Wangen kühlte. Allmählich verschwand der Druck. Ich schlenderte entspannt den gewohnten Pfad entlang.
    Gegen Ende der Strecke sah ich die Linde. Sie erhob sich in der Mitte der Lichtung. Erhaben stand sie im matten, silbergrauen Licht der Dämmerung, das dunkle Geflecht der Zweige weit ausgebreitet, an deren Enden die hellroten Ausbuchtungen der Knospen aufgeplatzt waren.
    Nebelschwaden stiegen auf, wie häufig an dieser Stelle, hüllten alles ein und verflüchtigten sich wieder. Und dann narrten mich wohl meine Sinne, denn aus dem Dunst tauchte nicht der frühlingshafte, mit jungem Laub sprießende Baum auf. Sondern eine voll im sommerlichen Blattgewand stehende Linde - und mit ihr Leanders Bild, an dem Tag, als er mich fragte, ob ich ihn heiraten wollte.
    Wie hypnotisiert beobachtete ich diesen Leander, beobachtete mich selbst. Wie ich ihm, gegen den Baustamm gelehnt, zuhörte, als er mir von der Bewandtnis erzählte, die es mit der Linde auf sich hat. Vom Baum der Liebe mit den Herzblättern, dem Heiligtum der Göttin Freya, die auf einem Eber reitet, und dem verschwiegenen Ort der Liebenden.
    Mit einem Mal geschah etwas Eigenartiges: Ein einzelnes Blatt in perfekter Herzform löste sich aus der Krone und schwebte wie in Zeitlupe vor Leanders Füße.
    Er wirkte wie verzaubert. Bedächtig hob er es auf. „Das ist ein Zeichen“, murmelte er und zog mein zweites Ich an sich. „Heiratest du mich?“, fragte er so gedämpft, dass es kaum zu verstehen war, und strich mit dem Blatt über meine Lippen.
    Ich … sie fühlte, dass er sie noch enger an sich zog. Langsam hob sie den Kopf. Ohne ein Wort blickte sie ihn an, betrachtete ihn, wie sie in ihrem ganzen Leben noch niemanden betrachtet hatte.
    Sie schwieg. Weil sie keine Worte fand, keine Worte finden wollte, um diese Stille, die ihr heilig vorkam, nicht zu zerstören. Mir war klar, sie fühlte sich wie im Bann von etwas Ungewöhnlichem, etwas Übermächtigem, das jede gesprochene Silbe unnötig machte. Und so küsste sie lediglich das Blatt und legte es mit der Stelle, die ihr Mund berührt hatte, auf Leanders Lippen.
    Er küsste es ebenfalls.
    Es war dasselbe herzförmige Blatt, das sie später in einen Glasrahmen fasste.
    Leander umschlang sie mit seinen Armen und legte seine Wange auf ihren Kopf.
    Sie lehnte sich gegen ihn. Es war still unter der Linde, nur im Geäst über ihnen raschelten die Blätter im Wind. Sie spürte Leanders gleichmäßigen Herzschlag. Er murmelte ein paar Worte. Beinahe wie ein Dankgebet, zu wem oder was auch immer, so leise, dass man es nicht verstand. Dann umschlang er mein zweites Ich noch fester.
    Mir kam der absurde Gedanke, dass die Nebelschwaden womöglich die Schleier der Zeit seien, und ich wäre irgendwie zwischen diese Schleier geraten und hätte zurück in die Vergangenheit schauen dürfen. Das machte mir Angst. Ich wich vor diesem Anblick einige Schritte zurück, stolperte über eine Baumwurzel und wäre beinahe gestürzt.
    Verlor ich den Verstand? Litt ich an Halluzinationen? Diese Vision der Vergangenheit war realistisch, nahezu perfekt! Ich fragte mich, wie das sein konnte. Wer oder was hatte sie mir geschickt?
    Aus den Tiefen des Waldes, in der nebelhaften Welt hinter der Linde, ertönte ein langgezogener, schriller Schrei aus den Büschen.
    Eine Gänsehaut überzog meinen Körper.
    Ich hatte diesen Ruf schon öfters gehört und erkannte ihn auf Anhieb. Es war der Schrei eines wilden Ebers.
    Ich drehte mich um und floh.
     
    Zuhause dachte ich noch lange über dieses Erlebnis nach. Es erschien mir wie ein Schlussstrich, der sich unter meine Entscheidung, das Verhältnis zu Rick zu beenden, gezogen hatte.
    Ich holte den Rahmen mit dem Lindenblatt hervor, stellte ihn vor mich hin und es war, als wenn eine geheimnisvolle Kraft

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