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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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von dem Blatt ausginge. Eine Art Magie, die sich in Leanders Stimme manifestierte und sehnsuchtsvoll meinen Namen flüsterte.
    Und plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte.
     
    *
    Leander wirft mir einen fragenden Blick zu. „Glaubst du wirklich, dass es so etwas gibt?“
    „Was meinst du?“
    „Na ja. Magie. Germanische Göttinnen.“ Er lacht verlegen. „Oder Gott. Glaubst du daran?“
    Ich löse meine Augen von der funkelnden Achse des Großen Wagens und schaue Leander an. „Ja. Ich denke, dass es eine höhere, kosmische Wesenheit gibt. Ganz egal, was für Namen ihr die Menschen geben. Wir nennen sie eben Gott. Ich glaube daran.“
    „Warum?“
„Einmal aus rein mathematischen Gründen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gott existiert, ist größer als die, dass es ihn nicht gibt. Sie liegt bei zweiundsechzig Prozent.“
    Leander lacht auf und schüttelt den Kopf über mich. „Das ist wohl die seltsamste Antwort, die ich je auf diese Frage erhalten habe.“
    Ich mag es nicht, ausgelacht zu werden. „Es stimmt aber!“, bemerke ich trotzig. „Das kann man mit Hilfe einer zweihundert Jahre alten Rechenformel ermitteln.“
    „Woher weißt du das?“
    „Ich habe das vor ungefähr zwei Jahren in einem naturwissenschaftlichen Magazin gelesen. Außerdem spüre ich es. Manchmal. Wenn ich die Sterne anschaue, zum Beispiel. Oder als ... als ich schwanger war. Überhaupt, wenn ich darüber nachdenke, wie wunderbar in der Natur alles geregelt ist. So durchdacht. Eins greift ins andere, alles passt zusammen und ergänzt sich. Das kann einfach kein Zufall sein. Und da Gott nun mal ein allwissender Gott ist, lässt er eben auch Dinge geschehen, die wir nicht begreifen und erklären können.“
    Ich setze mich auf. „Und du? Glaubst du an ihn?“
    Leander setzt sich ebenfalls, zieht seine langen Beine an und schlingt die Arme darum. „Hm. Ja. Das tue ich.“
    „Kannst du ihn auch spüren?“
    „Ja.“ Seine unterschwelligen Blicke tasten mein Gesicht ab, saugen sich an meinen Lippen fest und ich weiß, er denkt daran, wie es ist, wenn wir uns lieben, uns umfangen halten und eins werden.
    Mein Gesicht fühlt sich heiß an und mein Herz zieht sich zusammen.
    „Ja“, sagt Leander noch einmal. „Manchmal kann ich ihn spüren.“ Er verengt die Augen zu Schlitzen und scheint noch etwas sagen zu wollen. Doch dann überlegt er es sich offenbar anders und schluckt seine Worte hinunter.
    Nach einiger Zeit wende ich mich ab. Ich will es zu Ende bringen.
    Und er will es auch.
     
    *
     
    Nach diesem Erlebnis im Wald suchte ich noch ein Mal die Nummer mit dem ♥ dahinter aus meinem Register und sandte eine allerletzte Nachricht, ein Lebewohl: Unsere Zeit ist vorbei, Hendrik, schrieb ich. Es tut mir leid. Ich danke dir für alles - doch mir ist endlich klar geworden, zu wem ich gehöre. Ich wünsche mir, dass auch du dein Glück wiederfindest. Und dass wir Freunde sind. Wie zuvor. Mach‘s gut, Hendrik.
    Natürlich hätte ich in Betracht ziehen müssen, dass er es nicht einfach akzeptieren würde. Aber mir war gar nicht klar gewesen, wie fest er sich tatsächlich an meine flüchtige Ähnlichkeit mit Michaela und damit an seinen Engel geklammert hatte. Und so geschah letztendlich, was geschah.
     
    *
     
    Leander sitzt abwartend und mit einem beherrschten Gesichtsausdruck da. Ich wage nicht, ihn anzufassen, aus Angst, er könnte vor meiner Berührung zurückzucken. Und weil ich seine verwirrende Nähe nicht länger ertragen kann, ohne die Hand nach ihm auszustrecken, stehe ich auf. Langsam gehe ich zur letzten Station meiner Geschichte: zum Swimmingpool.
    Das Becken sieht aus, als hätte jemand den Nachthimmel verflüssigt und hineinlaufen lassen: tiefschwarz und mit Sternen durchsetzt.
    Ich lasse mich am Rand nieder, beuge mich vor und mein Gesicht spiegelt sich im Wasser. Hinter mir ragt mit einem Mal Leanders hochgewachsene Gestalt auf.
    Meistens ist mir gar nicht bewusst , wie groß er ist. Erst wenn er inmitten einer Menschentraube steht und herausragt, fällt es mir wieder auf. Oder in Momenten wie diesem.
    Ich tauche eine Hand in das Wasser, als könnte ich aus der Schwärze etwas herausfischen. Die Oberfläche kräuselt sich und verzerrt unser Spiegelbild.
    „Es fühlt sich eiskalt an“, sage ich zu Leander. „Genau wie in der Nacht, als ich ertrank.“
     
    *
     
    Der sechste Mai.
    Drei Uhr morgens .
    An diesem Tag bin ich nicht so früh auf den Beinen gewesen, um zu schwimmen. Das hatte ich bereits am Abend

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