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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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rot, als ihm die Dame beide Hände gleichzeitig schüttelte.
    »Mrs. Ferguson«, sagte Waterman.
    »Und was sagt sie?« fragte Ishi, als Mrs. Ferguson sagte: »Wir haben jetzt alle viel gelernt durch Professor Waterman. Ich glaube, es hat uns weniger hochmütig gemacht und weniger voreingenommen. Mr. Ishi, ich lade Sie herzlich ein.«
    Ishi war noch immer röter als sonst.
    »Was hat sie gesagt?« fragte er Waterman.
    Waterman erklärte ihm halb in Yana und halb in Englisch, was gesagt worden war. Ishi empfand mehr, als er es verstand, daß die Worte nicht unfreundlich gemeint waren. Er verstand, daß er eingeladen war, und nahm nach einem fragenden Blick zu Waterman die Einladung an.
    »Und darf er auch ohne Schuhe kommen?« erkundigte sich der Professor.
    »Selbstverständlich«, sagte Mrs. Ferguson bedeutsam. »Ohne Schuhe.«

    »Lerne deine Schritte«, hatte Vater am Anfang gesagt. Und er war mit ihm vom Winterplatz weg in den Föhrenwald gegangen. Hie und da hatte er einen Föhrenzapfen aufgehoben, ihm einen Stein gezeigt, eine kleine Höhle, in der Vorräte versteckt waren, und hin und wieder einen Baum, in dem vor Regen geschützt ein Vorratskorb der Yahi hing. »Lerne deine Schritte.«
    Am nächsten Tag mußte er, Ishi, den gleichen Weg finden. Er fand die Höhle und die Bäume, bis auf einen. Vater hatte ihm trotzdem auf die Schulter geklopft.
    Am folgenden Tag waren sie eine weitere Strecke gegangen, lautlos, wie es die Art der Yahi war. Sie machten lieber einen Umweg, ehe sie im Dickicht einen Zweig brachen oder gar mehrere. Vater erinnerte sich. Zuerst waren die Weißen einzeln gekommen, sie sickerten ins Indianerland wie einzelne Regentropfen in das Fell eines Hundes. Dann aber war plötzlich der große Strom gekommen, der sich überall breitmachte, in den Tälern, an den Flüssen, und von da an stieg es die Berge hinauf, eine Flut, der niemand Einhalt gebieten konnte. Und es waren die unsäglich feigen Maidu gewesen, die Talindianer, die für das Leben in den Bergen zu ängstlich und zu faul waren, die die Weißen vor den tapferen Yahi und Yana gewarnt hatten. Weil sie selbst ängstlich waren, hatten sie die Weißen ängstlich gemacht und schaurige Geschichten über die Yahi erzählt.
    Was war davon wahr? Im späten Winter oder am Beginn des Frühjahrs, aber auch nur, wenn der Winter besonders hart und lang gewesen war, da waren die Yahi manchmal die Berge hinuntergestiegen und ins breite Tal des Sacramento gekommen und hatten sich von den Maidu geholt, was sie brauchten. Nicht mehr. Sie hatten nur das genommen, was sie benötigten, um zu überleben. Um die Zeit zu überbrücken, bis der Klee wieder grün und saftig war und es die ersten frischen wilden Zwiebeln gab.
    Die Maidu waren nicht fähig, zu leben wie die Yahi. Sie liefen vor dem Geräusch eines brechenden Astes davon. Sie konnten den Bogen kaum halten, und sie fischten mit dem Netz und nicht mit der Harpune, die ein scharfes Auge und einen starken Arm verlangte, denn der Fisch stand immer anderswo, als man ihn sah.
    Und da die Maidu zu feige und zu schwach waren, um sich zu rächen oder das Geraubte zurückzuholen, hatten sie die Weißen als Rächer geschickt und den Siedlern eingeredet, sie seien erst sicher, wenn es oben in den Bergen keine Yahi mehr gäbe.
    »Lerne deine Schritte«, hatte auch später der Onkel gesagt. »Wenn ein Blatt zittert, prüfe, warum es zittert, und wenn ein Ast schwankt, warte, bis du weißt, ob es ein Vogel oder der Wind war.«
    Ishi lernte auch in San Francisco seine Schritte, von seinem Zimmer die Schritte ins Museum. Oben im zweiten Stock waren Körbe, wie sie die Yahifrauen geflochten hatten. Körbe aus Binsen, mit Harz verkittet, Vorratskörbe, geflochten aus den Wurzeln der Kiefern, Pfeilspitzen aus Obsidian. Bogen aus verschiedenen Hölzern. Es war der Bogen und die Kraft des Mannes, die die Geschwindigkeit des Pfeils bestimmten.
    Ishi lernte die vielen Schritte im Museum. Er wußte, wo der Müll hinkam und wohin die schmutzige Wäsche, er kannte mittlerweile die Küche, wo er sich morgens auf einem Gasherd Tee kochte. Er lernte die anderen Beschäftigten im Museum kennen.
    Da war sein unmittelbarer Vorgesetzter, Poyser, der Hausmeister, der ungeheuer stolz auf sein Waffenarsenal war, das aus Roßhaarbesen, Reisbesen, Mop, einer Unmenge von Staubtüchern, Handbesen, Müllschaufeln, einem Federwisch, Möbelpolitur und vor allem einem Gummischrubber zum Fensterputzen bestand.
    Poyser hütete sein Putzarsenal,

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