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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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Worbinna oder Poyser »Loud the Austere«, den strengen Loud, wie sie ihn nannten, mit Ishi zusammensitzen oder — stehen sahen, dann riefen sie: »He, mach unserem braven Indianer keine Angst, laß ihn in Ruhe mit deinem fürchterlichen Gott.«
    Aber Loud sah sie nur überlegen an und antwortete: »Auch euch wird Gott fortschleudern aus seinem Angesicht. In die tiefste Hölle wird er euch werfen, zu Asche wird er euch brennen, daß eure Leiber nicht auferstehen werden am Jüngsten Tag.«
    Worbinna ließ sich nicht einschüchtern. »Wenn wir je vor Gottes Angesicht gelangen«, erwiderte er, »dann wird er uns sagen: Ihr kommt in die besteingerichtete Etage des Himmels, denn ihr habt euch die fürchterlichen Sprüche von Loud the Austere anhören müssen, ärger kann nicht einmal ich euch bestrafen.«
    Loudy rollte seine Augen, um furchterregend zu wirken, aber die anderen winkten ab und trollten sich unter schallendem Gelächter.

    Ishi verzog sich, weil er spürte, daß Loudy jetzt allein sein wollte. Er wollte es ihm erleichtern, seine Demütigung zu vergessen. Er lief hinüber ins Krankenhaus, wo es im Flur gerade nach Kaffee duftete. Er mochte diesen Duft, obwohl er lieber Tee trank, weil Tee klar war. Kaffee war nicht klar, aber er roch besser. Auch Ishi mußte einsehen, daß es das Vollkommene nur selten gab. Er ging dem Geruch nach, fand eine nur angelehnte Tür, klopfte und stieß die Tür ein bißchen auf.
    »Ach, unser Ishi!« riefen die Schwestern, die sich gerade eine kleine Kaffeepause gönnten. Sie luden Ishi ein, sich zu setzen und eine Tasse mitzutrinken.
    Ishi war in Gedanken versunken, aber er lächelte, wenn eine der Schwestern das Wort an ihn richtete. Im übrigen hob er die Tasse, wenn sie die Tasse hoben, und er versuchte sie mit ebenso vielen Schlucken zu leeren wie die Schwestern.
    Später besuchte er die Kranken. Er hatte gesehen, wie die Ärzte das machten. Er betrat lächelnd das Krankenzimmer, schloß die Tür leise und ging mit verschränkten Fingern von Bett zu Bett, von Patient zu Patient. Er nickte ihnen lächelnd zu und fragte sie in Yana, wie es ihnen gehe, und wünschte ihnen Gesundheit. Die Patienten, Männer wie Frauen, verstanden zwar kein Wort, aber sie wußten, was er meinte. Er meinte es gut, er war eine Seele von Mensch, keiner hatte gewußt, daß ein Wilder so sanft sein konnte. Ob er so etwas wie ein Pfarrer unter den Wilden gewesen war? Wer wußte es?
    Besorgt stand Ishi eine Weile vor einer sehr alten, schlafenden Frau. Ihre Augen waren tief eingesunken, die Lippen so blaß wie die übrige Haut. Einen Augenblick lang hatte er den Eindruck, sie sei tot. Er streckte seine Hand aus, mit der Handfläche nach oben, um am Handrücken zu spüren, ob sie noch atme, denn es war nicht gut, Tote zu berühren, außer bei der Bestattung.
    Sie atmete noch schwach. Er sah besorgt die anderen an, die ihn beobachtet hatten, und nickte ihnen mit einem traurigen Blick zu. Als er das Krankenzimmer verlassen hatte, schlug die Frau die Augen auf und fragte nach ihrer Tochter, sie möge doch kommen, damit sie wieder nach Hause könne. Die Alte starb noch am gleichen Tag in den Armen ihrer Tochter, aber die anderen Frauen im Zimmer waren überzeugt, daß Ishi ihr die Kraft gegeben hatte, so lange mit dem Sterben zu warten, bis die Tochter gekommen war.
    »Er hat die Hand über sie gehalten«, berichtete ein Weiblein, »und uns alle angesehen. Ein Blick, der durch und durch ging. Und kaum war er draußen, hat sie die Augen aufgeschlagen, und jetzt hat sie ihre Tochter doch noch einmal gesehen.«
    Ishi suchte noch die Krankenhausküche auf, wo wieder alles viel zu lange gekocht wurde, bis es zu Brei wurde. Kein Wunder, daß die Kranken hier nicht gesund wurden. Schließlich zog es ihn in die Wäscherei. Auch hier war er beliebt. Er half, wo er konnte, und er half mit Freude. Er trug schwere Körbe und stürzte Bottiche um, er wrang Wäschestücke aus, und er schob Bettücher durch die Mangel. Diese Maschine faszinierte ihn. Es war wie Zauberei. Die verschrumpelte Wäsche steckte man an der einen Seite hinein, und auf der anderen kam sie glatt und fein anzugreifen heraus.
    Er machte das wie alles sehr geschickt und merkte nicht, daß die Tür aufgegangen war und Professor Kroeber auf ihn zukam. Er riß Ishi von der Mangel zurück, daß er sehr erschrak, und schalt dann die Leiterin der Wäscherei gehörig aus.
    »Diese Arbeit ist für Ishi viel zu gefährlich«, brüllte Kroeber. »Sie können das

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