Meine Spur löscht der Fluß
gar nicht verantworten, was Ishi hier geschehen kann. Wenn Sie Ishi noch einmal an die Maschine lassen, dann werde ich dafür sorgen, daß Sie entlassen werden.«
Ishi hatte Kroeber noch nie so erregt gesehen, seine Hautfarbe über dem dunklen Vollbart wurde rot, und einen Augenblick hatte er die Empfindung, Kroeber müsse mit dem großen alten Mann mit Bart, von dem Loudy gesprochen hatte, verwandt sein.
Er ging mit hängendem Kopf hinter Kroeber ins Museum zurück und hatte den Eindruck, etwas getan zu haben, was nur den Weißen vorbehalten war. War es ein Zauber gewesen mit den Tüchern? Und hatte er den Zauber gelernt? Aber warum hatte Kroeber etwas dagegen? Kroeber, von dem er wußte, daß er ihm nichts neidete. Möglich, daß er das auch einmal begreifen würde.
Der Professor hatte es nach langwierigen Bemühungen fertiggebracht, Ishi ein Gehalt zu verschaffen. Das Kuratorium des Museums hatte seinen Antrag genehmigt, Ishi als Hilfspförtner im Museum anzustellen, und dafür ein monatliches Gehalt von fünfundzwanzig Dollar bewilligt. Ishi, der letzte wilde Mann Nordamerikas, war mit einem Schlag Gehaltsempfänger mit Dienstwohnung. Nun gab es noch ein Problem. Das Gehalt wurde nur per Scheck ausgezahlt, und um diesen Scheck einlösen zu können, mußte Ishi schreiben können, zumindest seinen Namen. Er wurde als Mr. Ishi in der Gehaltsliste geführt.
Es wäre purer Unsinn gewesen, Ishi begreiflich zu machen, warum er einen Posten und ein Gehalt brauchte, was ein Scheck bedeutete und wie das Bankwesen funktionierte, das begriff ja auch die Mehrzahl der Weißen nicht. Aber eine Unterschrift mußte Ishi haben, da er nun schon einmal einen Namen, eine Adresse und einen Beruf hatte.
Kroeber führte Ishi an seinen Tisch und malte den Namen Ishi auf ein leeres weißes Blatt. So einfach und klar, wie er nur konnte. Und er erklärte: »Das heißt Ishi.« Er buchstabierte es. Er malte immer wieder das Wort hin und sprach dazu: »I — sh — i.«
Dann gab er Ishi den Bleistift und war darauf gefaßt, daß die Spitze brechen würde.
Aber Ishi faßte das Schreibgerät genauso an, wie er es gesehen hatte. Er war mit seinen Händen zu geschickt. Er hielt den Bleistift keineswegs verkrampft, drückte ihn nicht schwer auf das Blatt. Er versuchte es genauso zu machen, wie es ihm der mudjaupa gezeigt hatte. Freilich war zunächst nicht einmal Ishi selbst mit dem Gekritzel zufrieden. Seine ersten geschriebenen »Ishi« sahen denen Kroebers nur sehr wenig ähnlich.
Kroeber schob ihm einen Stuhl hin: »Setz dich«, sagte er, »und laß dir ruhig Zeit.« Er sagte, was ihm in Yana einfiel, in Yana, und das andere in Englisch, aber Ishi begann ihn zu verstehen. Er setzte sich, öffnete die Manschettenknöpfe und versuchte es immer wieder. Jetzt gelang es schon besser, und als er sich die Jacke auszog und den Hemdkragen öffnete, war er fast schon zufrieden. Dann aber hatte er plötzlich genug und sagte: »Morgen wieder.«
Kroeber sah sich die Unterschriften an und lobte ihn. Er nahm sich vor, das Blatt aufzuheben. Es waren immerhin die ersten Schriftzeichen des Angehörigen eines Volkes, das bisher ohne Schrift ausgekommen war und sie offensichtlich gut entbehren konnte. Und als er ihn lobte, hatte er den Eindruck, vor ihm stand ein großes, sehr sanftes, erwachsenes Kind, das er vorhin in der Krankenhauswäscherei sicher erschreckt hatte.
»Kommst du heute abend mit zum Dinner?« fragte er deshalb. »Meine Frau und meine Kinder würden sich freuen.«
Ishi nickte, aber er lächelte noch nicht. Schon halb in der Tür, fragte er den mudjaupa: »Warum gibt es bei den Weißen mehr kranke Männer als Frauen?«
»Gibt es das?« fragte Kroeber zurück.
Ishi nickte. Er hatte es selbst gesehen. Es gab viel mehr kranke Männer.
»Und bei euch?«
»Mehr kranke Frauen.« Und er machte Kroeber klar, daß die Yahi-Männer nie wirklich krank waren. Vielleicht brachen sie sich einmal ein Bein oder traten sich einen Dorn ein oder sie wurden von einer Klapperschlange gebissen. Aber das alles waren keine Krankheiten.
Kroeber stand da und überlegte, aber er wußte keine rechte Antwort.
Jeden Tag übte Ishi mindestens zehn Minuten seine Unterschrift, bis er sie aus dem Gedächtnis konnte. Er klopfte an die Tür zu Kroebers Büro, steckte den Kopf hinein, lächelte Kroeber an und sagte, indem er mit der Hand eine entsprechende Bewegung machte: »Üben?«
Kroeber nickte dann meist, und Ishi ging an einen seitlichen Tisch, wo schon ein
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