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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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trotteten über das unbebaute Grundstück gegenüber dem Museum die Höhe hinunter zu dem kleinen Block, den die Geschäfte in der Seventh Avenue bildeten. Plötzlich begann Loudy zu sprechen.
    »Ich zeige dir den Bäcker«, begann er, »bei dem du Brot vom Vortag kaufen kannst. Keine Angst, es ist nicht steinhart. Frisches Brot ist ungesund, es bläht und es sättigt nicht. Aber wenn du das Brot mindestens einen Tag liegen läßt, dann sättigt es, und es ist auch besser für die Zähne. Und außerdem ist es billiger.«
    Ishi nickte, obwohl er nicht verstand. Nur Brot hatte er begriffen. Brot hatte er schon öfter gehört. Ob der alte Mann mit dem Bart auch Brot aß?
    Im Laden legte Ishi den Scheck auf das Pult.
    Der Kaufmann, mit einem Bleistift hinter dem rechten Ohr, überprüfte den Scheck sehr eingehend, während Ishi überlegte, welche Dämonen das Holz hinter dem Ohr wohl ablenken würde. Möglicherweise war es auch gut gegen Ohrenschmerzen, die sehr lästig sein konnten. Oder der Mann hörte einfach besser dadurch.
    Nun ließ der Mann an einem silbrigen Gehäuse die Lade aufspringen und zählte ihm fünfundzwanzig Silberstücke hin. Fünfundzwanzig schwere, kostbare Silberdollars. Je fünf Stück in fünf Reihen. Ishi prägte sich das Bild ein.
    »Du kannst sie nehmen«, sagte Loudy, »es stimmt, sie gehören dir.«
    Aber Ishi prüfte nicht, ob es fünfundzwanzig waren, er sah die Schönheit, das glänzende Silber und die quadratische Form, in der sie hingelegt waren. Er nahm ein Stück und wog es in der Hand. Es war zu spüren, es war da, und dafür bekam er etwas. Und das gleich fünfundzwanzigmal. Ishi kaufte nicht viel. Tee in der Packung, die er bei Poyser gesehen hatte, und eine Blechbüchse, wie Worbinna sie hatte, um darin Nägel aufzubewahren, vielleicht freute sich Worbinna, wenn er ihm eine neue Büchse schenkte, sobald er sie leergemacht hatte, seine quoll ja schon fast über.
    Auf Anraten Loudys kaufte er dann noch ein Pfund Buchweizengrütze und ein Pfund Haferflocken. Und dazu hielt ihm Loudy einen Vortrag über die Vorzüge der einfachen Ernährung. Das war das dritte Thema, über das Loudy gerne und ausführlich sprach.
    »Du mußt deinen Gedärmen etwas zu arbeiten geben«, sagte Loudy, »die Darmzotteln, verstehst du, die müssen, was tun.«
    Zum Schluß hatte Ishi ein Wunder in der Hand. Zuerst dachte er, es sei eine Büchse, aber sie war leicht, als wäre sie leer, außerdem war sie nicht so dick und auch länger. Aber drinnen war etwas. Man konnte es hören, wenn man die Büchse schüttelte. Der Kaufmann zeigte ihm, was man damit machen konnte. Man mußte dieses bunte Rohr ans Auge halten. Ishi tat das auch, und was er dann sah, hatte er noch nie gesehen. Es war unvorstellbar, daß so viele verschiedene Sterne, noch dazu in allen Farben, in diesem kleinen Rohr Platz hatten. Es war nicht zu fassen, was sich da vollzog, vor allem, wenn man das Rohr drehte. Er sagte die Farben in Yana. Grün, Blau, Gelb, Rot. Sicher kostete dieses wunderbare Instrument viel mehr als seine fünfundzwanzig Dollar. Es kostete bstimmt so viel, daß er es sich nie würde kaufen können. Er dankte dem Kaufmann und stellte es wieder weg. Das nächstemal, wenn er einkaufte, würde er wieder durchsehen und sich das Wunder betrachten.
    Loudy drängte zum Aufbruch. Sie mußten noch zum Bäcker und zum Fleischer.
    Ishi zahlte und durfte von seinen fünfundzwanzig Dollar mehr als vierundzwanzig wieder mitnehmen. Er steckte das Klimpergeld in seine rechte Jackentasche und freute sich über das Gewicht, das die Jackenseite nach unten zog. Er hatte sich die ersten Tage in den Anzügen der Weißen elend gefühlt, eingezwängt, fast wie gefesselt. Das war verständlich, wenn man bisher nur einen Lendenschurz getragen hatte, und im Winter ein Fell um die Schultern. Der einzige Trost, den die Anzüge des weißen Mannes boten, waren die vielen Taschen. Die Jacke hatte außen und innen Taschen. Wahrscheinlich sollten die inneren Taschen bösen Dämonen verborgen bleiben, und deshalb steckte der weiße Mann die wirklich wichtigen Sachen immer nach innen, so viel wußte er schon. Das hatte er bereits bemerkt. Auch Loudy hatte das Papier, für das er sein Geld bekam, nach innen gesteckt.
    Nach dem Einkauf beim Bäcker und Fleischer stiegen sie wieder den Hügel hinauf zum Museum. Heute waren keine spielenden Kinder da, und so war Ishis Freude ungetrübt. Er fühlte sich, als ob er von der Jagd käme. Nur war es ganz anders. Hatte

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