Meine Spur löscht der Fluß
zielte und auf ein hohes, fliegendes Ziel schoß. Er zeigte Ishi, wie er ein Zahnschneckengehäuse, ein beliebtes Schmuckstück der Yana, in seinen Nasensteg einsetzte, wie er sein Haar trocknete und es kürzte, indem er es abbrannte. Und neben vielen anderen Tätigkeiten wurden in zwei Großaufnahmen seine Hände gezeigt, die keine Schwielen hatten und schöne gerade Finger, und man zeigte sein strahlendes, freundliches Lächeln.
Ishi war eine Attraktion, keiner der weißen Museumsangestellten wäre mit diesem Berühmtsein auf ähnliche Weise fertig geworden.
Besonders an Sonn- und Feiertagen drängten die Menschen ins Museum, sie wanderten hastig durch die Säle und nahmen die Informationen, die ihnen die Schauobjekte über den Werdegang des Menschen, über seine Gepflogenheiten, Gebräuche und seine Kunst und Kultur boten, mehr oder minder im Vorübergehen mit. Was sie wirklich interessierte, war das Lebendige, der letzte Lebendige, der von einem der Stämme kalifornischer Indianer übriggeblieben war, war Ishi.
Das Land war jung, es hatte fast keine Geschichte. Hundertjähriges, das überlebt hatte, gab es selten, und sehr oft war es nicht wert, angesehen zu werden. Da tauchte in diese Leere hinein ein Mann auf, der Kunde von längst Vergangenem brachte, das hier in ihrem Umkreis geschehen war, von Vergangenem, das nicht zehn oder fünfzig Jahre, sondern zehntausend Jahre zurücklag. Eine unvorstellbare Zeitspanne, wenn man bedachte, daß die USA noch nicht einmal hundertfünfzig Jahre alt waren.
Sie strömten zu Hunderten ins Museum, und was sie sehen wollten, war dieser sagenhafte Mann, der es fertiggebracht hatte, zu überleben. Dieser Indianer, dieser letzte Wilde Nordamerikas, der es mit unbeschreiblicher Geschicklichkeit verstanden hatte, sich den zahlenmäßig überlegenen Weißen, der Überlegenheit ihrer Waffen, der Schnelligkeit ihrer Informationen zu entziehen. Sie wollten den Mann sehen, der aus den Cañons kam, aus den Wäldern unterhalb des 3186 Meter hohen Mount Lassen oder Lassen Peak, seinem Waganupa, aus der Umgebung des majestätischen, 4317 Meter hohen Mount Shasta. Der Mann von Wowunupo mu tetna.
Kroeber und Waterman hatten mit diesem Interesse nicht gerechnet. Und es war ihnen klar, daß sie Ishi, der noch vor wenigen Wochen jeden Weißen wie den Tod gefürchtet hatte, nicht vollkommen unvorbereitet dem riesigen Publikum vorzeigen konnten. Sie mußten die Leute um Geduld bitten und Ishi, der schon vor nur sechs Fremden zurückprallte, den ein sehr entfernter Kanonenschuß vom Übungsgelände der Artillerie erschreckte, den ein unerwartetes und unbekanntes Geräusch in die nächst-liegende Ecke hetzte, der körperliche Berührung mit Weißen nur mit unterdrücktem Grauen über sich ergehen ließ, auf das Interesse an seiner Person vorbereiten.
Und so erschien am ersten Sonntag, an dem Ishi bereit war, sich den Museumsbesuchern zu stellen, zunächst Kroeber, um die Leute auf Ishi vorzubereiten.
»Sie werden feststellen können«, sagte er abschließend, »daß Ishi ein Mensch ist, ein Mensch wie wir. Aber er und seine Leute, seine Mutter und seine Schwester und andere Angehörige, wurden wie Tiere gehetzt. Das hat ihn scheu gemacht. Und diese Scheu dürfen Sie nicht mit Angst verwechseln. Drei Jahre hat er vollkommen allein in seinem Gebiet gelebt, in einer Welt, die um ihn herum immer enger wurde, die ihm immer weniger Überlebenschancen ließ. Und zwölf oder gar dreizehn Jahre war er nur einer von fünf«, Kroeber hob die Hand mit ausgestreckten Fingern, »irgendeiner unter fünf. Sie haben gelernt, sich zu verbergen, sich praktisch unsichtbar und unauffindbar zu machen. Sie haben keinen Grashalm geknickt und keine Zweige gebrochen aus Angst vor Entdeckung, aus Angst vor uns. Bedenken Sie bitte noch eines, der Indianer hat keine Waffen in unserem Verständnis, Waffen, die dazu da sind, das Leben eines anderen Menschen zu vernichten. Sein Speer, sein Bogen, seine Axt und sein Pfeil waren ausschließlich Werkzeuge für die Jagd. Wir waren es, die aus Jagdwerkzeugen Waffen gemacht haben, wir haben entdeckt, daß man mit einem Brotmesser auch morden kann.«
Erst jetzt holte Kroeber Ishi aus einem Nebenraum. Ishi betrat den großen Saal mit der Andeutung eines Lächelns, und er ging mit Kroeber durch das Spalier, das sich bildete, und stand mit Kroeber in dem dichten Ring von Menschen.
Die Leute applaudierten, und Kroeber erklärte Ishi, warum sie das taten: Sie wollten ihm auf diese
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