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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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Als er aber nach langen Bemühungen den Baum endlich fast in der Mitte traf, riß er die Arme hoch, warf den Bogen in die Höhe und vollführte einen Freudentanz, wie Ishi ihn bei einem Weißen noch nicht gesehen hatte.
    »Ich hab’ getroffen!« schrie Pope, »ich hab’ getroffen!«
    Und er riß Ishi mit sich. Pope hatte es dreckig gehabt als Junge und später als Student, er wollte irgend etwas aus seiner Kindheit nachholen. Leider mußte er nun aufhören zu schießen, auf seinen Fingerkuppen bildeten sich Blasen. Ishi sah sich die Finger des Arztes an. Und meinte dann, Hirschtalg wäre gut dafür. Dr. Pope lächelte. Wo nahm man in einer modernen Klinik in Frisco nur Hirschtalg her? Er zeigte Ishi die Steaks. Ob er sie grillen könne? Ishi nickte, sammelte Holz und schichtete es auf einen größeren flachen Stein, und dann bescherte er Popy eine besondere Freude. Er holte sich nicht das Feuer aus dem Schächtelchen, sondern er machte es, wie er es als junger Mann gelernt hatte. Er mußte nicht lange suchen, bis er zwei entsprechende Hölzer fand.
    Pope überschüttete Ishi mit Lob. »Nein, wirklich, du bist einzigartig. Daß ich das erlebe, einen Menschen, der auf diese Art Feuer macht. In der Schule haben wir davon gehört, und ich hab’ es oft versucht, aber weiß der Teufel, entweder bin ich zu ungeschickt oder ich hab’ den Trick nicht heraus. Vielleicht hab’ ich auch zu feuchtes Holz genommen. Jedenfalls das einzige, das heiß wurde, waren meine Handflächen.«
    Ishis Feuerdrill war so simpel wie nur möglich. Er bestand aus einem unteren und einem oberen Stück, einem Frauen- und einem Mannstück, wie er es nannte. Der Herd oder das untere Stück war ein flaches Holzstück, das weicher sein mußte als das Holz des Drehers. Weide, Zeder gaben gute Herde ab, wenn sie trocken und zudem nicht zu alt und brüchig waren. Eine oder zwei Vertiefungen wurden mit einem Obsidianmesser bis zu einer Tiefe von ungefähr sieben Millimeter ausgehöhlt und an einer Stelle eingekerbt. Die Kerbe führte in einen flachen Kanal, der von der Vertiefung bis zum Ende des Herdes geschnitten war. Der Drill, oder das obere Stück, war ein gewöhnlicher, runder Holzstab, der genau in die Vertiefung des Herdes paßte. Ungefähr von der Länge eines Pfeils, aber an einem Ende dicker. Ishi bevorzugte Holz der Gifteiche, aber jedes andere einigermaßen harte Holz tat es auch. Das Feuermachen mit dem Drill bestand nun darin, daß man sich auf ein ganz kleines Fleckchen konzentrierte, denn nur so kann der menschliche Arm schnell und lang genug quirlen, um genügend Reibung zwischen Herd und Drill zu erzeugen und Holz in Hitze zu verwandeln. Ishi legte vor dem Drehen Zunder, trockenes Moos, Distelwolle oder das abgeschabte Innere der Weidenrinde entlang der Kerbe und des Kanals und auf den Boden, wo der Kanal endete. Dann kniete er sich auf den Herd, um ihn festzuhalten. Als nächstes stellte er den Drill aufrecht, das größere Ende in einer der Vertiefungen und drehte es zwischen seinen Handballen hin und her. Kleine Holzteilchen lösten sich von den Seiten der Vertiefung, färbten sich braun, wurden wie Sägemehl, begannen ein bißchen zu rauchen, wurden noch dunkler und von nachfolgenden Teilchen aus der Vertiefung zu der Kerbe gedrängt, den Kanal entlang und so aus dem Herd hinaus. Ishi arbeitete nun schneller und schneller, bis ein winziger Funke zwischen dem pulverisierten Holz glühte. Der eigentliche zündende Funke entstand nicht in der Vertiefung, wo er vom Holzstaub erstickt worden wäre, sondern draußen, in der Kerbe, und von dort wanderte er weiter, breitete sich den Kanal entlang aus und gelangte zu dem Häufchen Zunder auf dem Boden. Als das brannte, fügte Ishi ein kleines Grasbüschel hinzu und ein paar gröbere Späne. Er blies sanft in die junge Flamme, und das Feuer war »gemacht«.
    Als das Feuer brannte, überließ Ishi Pope die Wartung und streifte in der Nähe umher. Er kam mit einigen Salbeiblättern und Kräutern zurück, mit denen er die Steaks belegte. Pope streckte sich aus, lag auf dem Bauch und sah Ishi zu. Er sah zu, wie Ishi durch Fächeln mit einem Zweig das Holz zu schneller Hitze brachte, und sog dann den Duft des Fleisches und der Kräuter ein. Zum Essen hatten sie die Steaks auf flachen Steinen aus dem Bach liegen, die Ishi am Feuer gewärmt hatte.
    Nach dem Essen zeigte Dr. Pope einige Zauberkunststücke, die er gelernt hatte, um seinen Sohn zu unterhalten. Er konnte Münzen zwischen den Fingern

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