Meine Tochter Amy (German Edition)
sei mit einer schönen Stimme gesegnet, das verdanke ich wohl meinem Papa. Aber im Gegensatz zu ihm und seinen Verwandten und Vorfahren möchte ich etwas aus den Talenten machen, mit denen ich „gesegnet“ bin. Mein Papa gibt sich damit zufrieden, im Büro zu singen und Fenster zu verkaufen .
Meine Mutter ist Chemikerin. Sie ist ruhig und zurückhaltend .
Meine Schullaufbahn und meine Zeugnisse sind voller „Könnte besser sein“ und „Schöpft ihr Potenzial nicht voll aus“. Ich will wo hin, wo man mich bis an meine Grenzen fordert, vielleicht sogar darüber hinaus .
In Kursen singen, ohne dass man mir den Mund verbietet (vorausgesetzt, es sind Gesangskurse) .
Aber mein größter Traum ist es, richtig berühmt zu werden. Auf der Bühne zu stehen. Das ist mein Lebensziel .
Ich will, dass die Leute meine Stimme hören und für fünf Minuten ihre Probleme vergessen .
Ich will als Schauspielerin und Sängerin in Erinnerung bleiben, für ausver kaufte Konzerte und Shows im West End und am Broadway .
Ich denke, an der Schule war man erleichtert, als Amy Ashmole verließ. Mit zwölfeinhalb fing sie an der Sylvia Young Theatre School an und blieb drei Jahre dort. Aber was für drei Jahre! Es war trotz allem eine Schule, und sie wurde ständig ermahnt und verwarnt. Ich glaube aber, sie arrangierten sich mit ihr, weil man erkannte, wie begabt sie war. Sylvia Young selbst sagte, Amy habe „einen wilden Geist“ und sei „verblüffend schlau“. Aber es kam immer wieder zu Zwischenfällen. Zum Beispiel Amys Nasenring. Schmuck war nicht erlaubt, aber Amy scherte sich nicht drum. Sie musste den Nasenring rausnehmen, und zehn Minuten später war er wieder drin.
Die Schule akzeptierte, dass Amy ihren eigenen Weg ging, man gab ihr Spielraum und drückte ein Auge zu, wenn sie gegen Vorschriften verstieß. Manchmal allerdings trieb sie es zu weit, vor allem mit dem Schmuck. Einmal wurde sie heimgeschickt, weil sie mit Ohrringen, Nasenring, Armbändern und einem Nabelpiercing zum Unterricht erschienen war. Für mich wollte Amy damit indes nicht rebellieren, wie sie es oft tat, sondern ihrer Persönlichkeit Ausdruck verleihen.
Auch in Sachen Pünktlichkeit hatte sich nicht viel geändert. Amy kam meistens zu spät. Sie stieg in den Bus, schlief ein, fuhr fünf Kilometer über ihre Haltestelle hinaus und musste wieder zurückfahren. Obwohl Amy nun also dort war, wo sie sein wollte, war es wirklich kein Zuckerschlecken. Es gab immer wieder die gleichen Probleme.
Eines der größten war, dass Amy bei Sylvia Young zwar das Bühnen handwerk lernte – Ballett, Tanz, Stepp, Schauspiel, Gesang: alles, was sie liebte –, aber es gab eben auch eine akademische Seite oder, wie Amy es ausdrückte, „das ganze langweilige Zeug“. Die Hälfte der Zeit war „normalen“ Fächern gewidmet, und das interessierte sie nicht im Geringsten. Sie schlief im Unterricht, kritzelte herum, schwätzte und ging allen auf die Nerven.
Was das nicht langweilige Zeug anging, fing Amy bei Sylvia Young richtig mit dem Stepptanz an und war bald sehr gut darin. Sie konnte ja schon einiges, nun lernte sie fortgeschrittene Techniken. Freitags waren wir meist bei meiner Mutter zum Abendessen, dann tanzte Amy in der Küche, weil der Boden dort so schön klapperte. Das Klappern war wirklich gut, Amy war eine großartige Stepptänzerin. Ich sagte immer, sie sei so gut wie Ginger Rogers. Meine Mutter wollte davon nichts hören – sie fand Amy besser.
Amy zog ihre Steppschuhe an und sagte: „Oma, darf ich steppen?“
Im Haus meiner Mutter mit Alex und Amy, 1995. Ein stiller Augenblick vor dem Essen am Freitagabend
„Geh hinunter und frag Mrs. Cohen, ob es ihr recht ist“, sagte meine Mutter. „Du weißt, wie sie ist, sie wird sich sicherlich bei mir über den Lärm beschweren.“
Also fragte Amy Mrs. Cohen, und Mrs. Cohen sagte: „Natürlich ist es mir recht, Schätzchen, tanz, so viel du willst.“ Und am nächsten Tag beschwerte sich Mrs. Cohen bei meiner Mutter über den Lärm.
Oft spielten wir freitagabends bei meiner Mutter nach dem Essen, am liebsten Trivial Pursuit und Pictionary . Amy und ich spielten immer zusammen, meine Mama und Melody bildeten das zweite Team, Jane und Alex das dritte. Jane und Alex waren die stille Abteilung, durchdacht und zielstrebig, meine Mama und Melody die laute, sie schrien und brüllten herum. Amy und ich waren die Schummler. Wir versuchten um jeden Preis zu gewinnen, es war immer ein Riesenspaß.
Wenn sie nicht
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