Meine Tochter Amy (German Edition)
nach sich zog. Aber wie auch immer, Amy bestand ihre mittlere Reife und hinterließ auch an der Mount-Schule eine Reihe entnervter Lehrer, die hinter ihr die Scherben zusammenfegten.
Es kam jedoch nicht infrage, dass sie an der Mount-Schule blieb, um das Abitur zu machen. Sie hatte genug von schulischer Bildung und bekniete uns, sie wieder auf einer Kunstschule einzuschreiben. Ihre Entscheidung war gefallen, und es war ausgeschlossen, sie umzustimmen.
Mit 16 kam Amy also auf die BRIT School in Croydon in Südlondon, um Musiktheater zu studieren. Es war ein fürchterlich langer Weg dorthin – vom Londoner Norden ganz hinunter in den Süden. Sie war täglich mindestens drei Stunden unterwegs –, aber sie blieb dabei. Dort ging es ihr besser, sie fand viele Freunde und beeindruckte die Lehrer mit ihrer Begabung und Persönlichkeit. Auch in den akademischen Fächern wurde sie besser; ein Lehrer bescheinigte ihr, sie sei „eine natürliche, ausdrucksstarke Autorin“. Das war für Amy das Gute an der BRIT School: Sie bekam die Möglichkeit, sich auszudrücken. Sie blieb dort kaum ein Jahr, aber es war eine gute Zeit. Die Schule prägte Amy sehr, ebenso wie Amy Eindruck auf die Schule und ihre Mitschüler machte.
Es gefiel ihr wirklich auf der BRIT School; all ihren persönlichen Problemen zum Trotz kehrte sie 2008 dorthin zurück und gab ein Konzert an der Schule, um sich zu bedanken.
3
WENN DIE LIEBE ZUSCHLÄGT
Es erwies sich als günstig, dass Sylvia Young nach Amys Abgang von ihrer Schule mit ihr in Kontakt blieb. Sylvia war es nämlich, die Amys Karriere ungewollt eine neue Richtung gab.
Ende 1999, als Amy 16 war, rief Sylvia Bill Ashton an, den Gründer, Geschäftsführer und Präsidenten des National Youth Jazz Orchestra, um Amy einen Termin zum Vorsingen zu verschaffen. „Schick sie einfach vorbei“, sagte er. „Sie kann einsteigen, wenn sie will.“
Amy schaute also vorbei und durfte schon nach ein paar Wochen einen Song mit dem Orchester singen. Eines Sonntagmorgens, etwa einen Monat später, bat man sie, am selben Abend vier Lieder mitzusingen, weil eine der Sängerinnen ausgefallen war. Es kümmerte sie herzlich wenig, dass sie die Songs nicht besonders gut kannte – so etwas ließ Amy kalt. Eine kurze Probe, und sie hatte sie alle drauf.
Amy sang eine ganze Weile mit dem NYJO und machte eine ihrer ersten echten Aufnahmen mit ihnen. Das NYJO stellte eine CD zusammen, und Amy übernahm den Gesangspart; als Jane und ich sie hörten, fiel ich fast in Ohnmacht – unglaublich, wie fantastisch sie klang. Mein Lieblingssong auf der Platte war immer „The Nearness of You“. Ich habe gehört, wie Sinatra ihn sang, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Billie Holiday, Dinah Washington und Tony Bennett. Aber nie habe ich ihn so gehört, wie Amy ihn sang. Er klang damals wunderschön, und so wird er mir auch immer in Erinnerung bleiben.
Zweifellos verbesserten sich Amys stimmliche Fähigkeiten durch das NYJO und ihre eigenen Auftritte, aber erst durch einen Freund – Amys besten Freund Tyler James – kam die Sache so richtig ins Rollen. Amy und Tyler hatten sich auf der Sylvia-Young-Schule kennengelernt und blieben ihr Leben lang beste Freunde. Amy war in der Schule eine Klasse unter Tyler, im „normalen“ Unterricht waren sie daher nie zusammen. An den „Sing- und Tanztagen“ waren sie jedoch im selben Kurs, weil Amy eine Klasse übersprungen hatte; sie probten zusammen und gingen gemeinsam zu Castings. Kennengelernt hatten sie sich, als ihr Gesangslehrer Ray Lamb vier Schüler bat, für seine Großmutter zum Geburtstag „Happy Birthday“ auf Band zu singen. Tyler war von den Socken, als er das kleine Mädchen hörte, das „wie eine Jazz-Queen“ „Happy Birthday“ sang. Tyler war noch nicht im Stimmbruch und sang wie der junge Michael Jackson. Was für ein Mensch Amy war, erinnert sich Tyler, habe er schnell erkannt, als er ihre gepiercte Nase sah und erfuhr, dass sie das selbst gemacht hatte – mit einem Eiswürfel zur Betäubung der Schmerzen.
Als Amy Sylvia Young und ihre Schule verlassen hatte, vertiefte sich ihre Freundschaft. Tyler war oft dabei, wenn sie Juliette und ihre anderen Freundinnen traf. Tyler und Amy sprachen viel über den Frust, den fast alle Teenager erleben. Jeden Freitagabend telefonierten sie, und am Ende sang Amy Tyler immer ein Lied vor, oder er ihr. Obwohl sie sich unglaublich nahestanden, waren Tyler und Amy kein Liebespaar – eher wie Bruder und Schwester. Er war
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