Meine Tochter Amy (German Edition)
einer der wenigen Männer, die Amy je freitags zum Abendessen bei meiner Mutter mitnahm.
Nachdem er die Sylvia-Young-Schule verlassen hatte, wurde Tyler Soulsänger. Während Amy beim NYJO sang, trat er in Kneipen, Clubs und Bars auf. Er arbeitete mit Nick Shymansky von der PR-Agentur Brilliant! zusammen. Tyler war Nicks erster Künstler, und es dauerte nicht lang, da belagerte Tyler Amy, sie solle ihm eine Aufnahme von ihr geben, die er Nick vorspielen könne. Irgendwann schaffte es Amy, Tyler ein Band zu schicken, auf dem sie mit dem NYJO Jazzstandards sang. Er war hingerissen und ermunterte sie, noch ein paar Nummern aufzunehmen, bevor er das Band an Nick Shymansky weitergab.
Tyler hatte Nick seit Monaten von Amy vorgeschwärmt. Nick, der ein paar Jahre älter als Tyler und an Lobeshymnen auf Sänger gewöhnt war, erwartete nichts, was die Welt aus den Angeln hob. Aber genau das bekam er.
Amy schickte ihm ihr Band in einem Beutel voller Aufkleber mit Herzen und Sternen. Anfangs dachte er, Amy habe nur eine alte Platte von jemand anderem aufgenommen, weil die Stimme sich nicht nach einer Sechzehnjährigen anhörte. Aber die Produktion war so mies, dass das nicht sein konnte. Die Aufnahme hatte Amys Musiklehrer Ray in der Sylvia-Young-Schule gemacht. Tyler gab Nick Amys Nummer, aber als er anrief, war sie kein bisschen beeindruckt. Er versuchte es immer wieder, und schließlich willigte sie ein, ihn in einem Pub bei der Hanger Lane in Westlondon zu treffen, wo sie mit dem NYJO auftrat.
Es war Sonntag um neun Uhr morgens – offenbar konnte Amy früh aufstehen, wenn sie wirklich wollte (damals hatte sie einen Wochenendjob und verkaufte Fetischkleidung an einem Stand auf dem Camden Market in Nordlondon). Als sich Nick dem Club näherte, hörte er eine „Big Band“ – wie man sie um neun Uhr morgens nicht oft aus einer Kneipe hört. Er ging rein, und was er dort sah, machte ihn sprachlos: eine Band von 60- bis 70-jährigen Männern mit einem 16 oder 17 Jahre alten Mädchen, das unglaublich gut sang. Nick verstand sich sofort bestens mit Amy. Sie rauchte rote Marlboro, während die meisten Jugendlichen damals „Light“-Zigaretten rauchten – da, sagt er, habe er sofort begriffen, dass Amy immer einen Schritt weiter gehen musste.
Während sich Nick und Amy auf dem Parkplatz des Pubs unterhielten, setzte ein Auto zurück, und Amy schrie, der Wagen sei ihr über den Fuß gefahren. Nick war geschockt und untersuchte mitfühlend ihren Fuß. Tatsächlich hatte Amy die Szene nur vorgespielt, um ihn auf die Probe zu stellen. Mal wieder das alte Erstickspiel – sie hat diese Sachen nie ganz abgelegt. Keine Ahnung, was sie mit dem Test erreichen wollte, aber von da an verstand sie sich prächtig mit Nick, der ihr Leben lang ein enger Freund blieb.
Nick stellte Amy seinem Boss bei Brilliant! vor, Nick Godwyn, der ihr einen Vertrag anbot. Nick Godwyn lud Janis, Amy und mich zum Essen ein.
Sie trug eine Pudelmütze, Cargohose und Zöpfe. Amy nahm die ganze Sache offensichtlich locker, ich konnte dagegen kaum still sitzen.
Nick erklärte uns, für wie talentiert er Amy als Komponistin und Sängerin hielt. Mir war klar, wie gut Amy sang, aber es war toll, das mal von einem Profi aus der Musikindustrie zu hören. Und ich wusste, dass sie Songs schrieb, hatte aber keine Ahnung, ob sie was taugten, weil ich nie was davon gehört hatte. Auf dem Weg zurück zu Janis, wo ich Amy und sie absetzen wollte, versuchte ich die Sache realistisch zu sehen – weil aus solchen Deals oft nichts wird – und sagte zu Amy: „Ich würde gerne mal deine Songs hören, Schatz.“
Amys alljährliche Glückwunschkarten brachten mich immer zum Lachen.
Ich war mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt hörte.
„Okay, Papa“, war alles, was sie antwortete. Natürlich bekam ich dennoch keinen von den Songs zu hören, zumindest vorläufig nicht.
Da Amy erst 17 war, durfte sie keinen Vertrag unterschreiben. Also erledigten das Janis und ich und gründeten – zusammen mit Amy – eine Firma, die sie in rechtlichen Angelegenheiten vertreten sollte. Die Firma gehörte zu 100 Prozent Amy, aber für sie war es selbstverständlich, uns zu bitten, an ihrer Karriere mitzuwirken. Als Familie hatten wir in solchen Sachen immer zusammengehalten; mein Stiefvater hatte in meiner Doppelglasfirma gearbeitet und war in London herumgefahren, um die Formulare einzusammeln, die wir jeden Tag in der Hauptverwaltung brauchten. Als er starb, übernahm meine
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