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Meine Tochter Peperl

Meine Tochter Peperl

Titel: Meine Tochter Peperl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josefine Mutzenbacher
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aber breitet sich ein Lächeln über Malis Gesicht, und sie sagt: »Hundert Schilling für nichts und wieder nichts.«
    »Wieso für nichts?« fragt die Peperl, »haben wirs nicht verdient?«
    »Wir nicht«, verbessert die Mali, »unsere Fut hats verdient.«
    »Meine Fut und ich, das ist ein und dasselbe. Aber was tun wir jetzt?«
    »Hoffentlich hat der Zuckerbäcker noch nicht zu«, entsetzt sich die Mali, und die beiden laufen die Straße hinauf.
    In der Laudongasse ist kein Zuckerbäcker, und so gehts hurtig weiter, bis die Mali in der Alserstraße schreit: »Da schau, da ist eine Konditorei!«
    Heute gibt es kein vorsichtiges Aussuchen, heute braucht man nicht hundertmal überlegen, was höchstens zehn Groschen kostet und wovon man dann noch am längsten hat. Mali zeigt mit spitzen Fingern einfach auf die begehrten Herrlichkeiten, und da die Peperl den Hunderter offen herzeigt, wird die Verkäuferin nicht müde, Berge von Süßigkeiten auf das Tablett zu legen. Peperl zahlt und bekommt noch 88 Schilling zurück.
    »Bleibt für jede 44«, stellt die Mali mit vollem Mund fest, als sie bereits dem Gürtel zuwandern.
    Im Eingang der Tür steht die Verkäuferin und schaut einmal auf die Mädchen und einmal auf den Hunderter.
    Na schön, denkt sie, irgend etwas stimmt da nicht, aber den wahren Grund des Gelderwerbs der Kinder scheint sie sich nicht einmal wagen auszudenken.
    »Und der Ferdi?« fragt lachend die Peperl, »wieviel geben wir dem feinen Herrn? Einen Dreck kriegt der elende Strizzi!«
    Mali ist absolut dafür, den eigenen Verdienst für sich selbst zu behalten. »Das haben wir mit unserer eigenen Fut verdient«, meint sie, und die Peperl sieht das ein. Sie denkt daran, daß der Kukilo ihr von dem Geld des Grafen nur für 50 Groschen Eis gekauft hat, dieser Schmutzian. Der hat sich bestimmt eingebildet, daß die Peperl weiter für ihn vögeln wird und er dann das ganze Geld kassieren kann.
    »Der Schmutzian bekommt nicht einen luckerten Heller!«
    »Und was sagst ihm, wenn er fragt?«
    »Dann sag ich ihm, dem Kukilo, ab nun soll er mich am Arsch lecken und daß ich ihm jetzt nichts mehr geben werde.
    Meine Fut halt ich hin und meine Votze müssen die Männer bezahlen, das ist gewiß. Ich weiß nun den Wert und werd es mir auch entsprechend bezahlen lassen!«

7
    Peperl steht vor der langen Flanke der Wurlitzergasse und wartet auf die Mali, die noch immer nicht mit dem
    Geschirrabwaschen fertig ist. Frau Wondraschek hält etwas auf Erziehung zur Arbeit. Ehe die Küche nicht sauber aufgewaschen ist, darf die Mali nicht auf die Straße. Was aber das Mädel dann den langen Nachmittag tut, danach fragt sie nicht. Sie ist eine von jenen Müttern, die der Ansicht sind, daß man nur bei der Nacht vögeln kann. Deshalb ist die Mali auch immer abends pünktlich zu Hause, und das genügt., um die Mutter an dem einwandfreien sittlichen Lebenswandel der Tochter nicht zweifeln zu lassen.
    Peperl liest gründlich die verschiedenen Aufschriften auf der Holzplanke. Die Fut ist ein Raubtier, sie nert sich von vögel! Die fehlerhafte Rechtschreibung stört sie nicht, und sie lacht so versonnen vor sich hin. Vor dem letzten Brett der Planke bleibt sie stehen und äugt schiefen Blickes auf den Spruch und die dazu passende Zeichnung. Da ist ein auf die Spitze gestelltes Quadrat mit einem Punkt in der Mitte, daneben ein Strich mit zwei Kugeln dran, dessen Spitze direkt auf den Mittelpunkt des Quadrates zeigt. Auch ohne den darunter stehenden Spruch — Nudel und Fut vertragen sich gut — erkennt ein jedes Kind diese primitive Zeichnung. Was Peperl an dieser Zeichnung aber so fesselt, ist weder die Originalität des Spruches, noch die sorgsam ausgefertigte Zeichnung, sondern, daß dies alles ein Produkt ihrer fleißigen Hand ist. Peperl kann niemals an der Planke vorbeigehen, ohne dieses Werk wohlgefällig zu betrachten.
    Mit drei Schillingstücken klimpert die Peperl in der Tasche und seufzt. Das ist alles, was ihr von dem Verdienst in der Laudongasse übrig geblieben ist. Vier Tage haben sie und Mali und noch ein paar Günstlinge aus der Schule in den
    Zuckerlgeschäften der Umgebung ein wahres Prasserleben geführt, doch nun ist das Ende da. Drei lausige Schilling und damit will sie heute in den Prater gehen. Sie hat sich schrecklich geärgert, daß ihr der Prater nicht schon früher eingefallen ist, denn für den Prater braucht man viel Geld. Mit diesen drei Schilling wird sie aber nicht viel Ringelspielbesitzer beglücken.

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