Meine Trauer geht - und du bleibst
nicht mehr.
Trauerbegleiterin: Und es wird wohl nie mehr so sein, wie es war.
Trauernder: Nie mehr. Meine Frau war nicht nur irgendein Teil meines Lebens. Sie war mein Leben.
Trauerbegleiterin: Und trotzdem bleiben Sie selbst am Leben – und Sie wollen das auch, wie Sie sagten.
Trauernder: Mhm, meine Frau will ja, dass es mir wieder gut geht.
Trauerbegleiterin: Ich glaube, dann müssten Sie sich noch einmal für Ihr Leben entscheiden. Es ist dann zwar ein ganz anderes als Ihr früheres Leben, aber es ist dann noch einmal Ihr eigenes Leben.
Ohne dich ist alles anders – und doch wird es so bleiben
Der Tod eines geliebten Menschen verändert das Leben der Hinterbliebenen tiefgreifend. Plötzlich ist alles ganz anders. Sehr massiv wird das bei einem unerwarteten und plötzlichen Tod eines geliebten Menschen erlebt. In einem einzigen Augenblick ändert sich das Leben vollständig. Nichts ist mehr so, wie es war, nichts passt mehr zusammen. Das frühere Leben scheint unendlich weit entfernt zu sein und ein anderes Leben ist nicht in Sicht. Plötzlichbin ich in einem mir fremden Leben, das einem Albtraum gleicht aus dem ich am liebsten aufwachen würde.
Die Leere, der Schmerz und die Trauer verdunkeln und prägen das Lebensgefühl der Hinterbliebenen für lange Zeit. Die Energie, die die Trauernden zum Aushalten des Schmerzes und der Trauer brauchen, fehlt in vielen Lebensfeldern wie zum Beispiel im Beruf. Das Netz von Bekannt- und Freundschaften verändert sich, weil viele sich vom Trauernden zurückziehen und der Trauernde anfangs nicht die Kraft hat, von sich aus die Beziehungen zu halten und zu pflegen. Manches davon, wie der Schmerz oder die Trauer, werden abfließen und abebben, manches – wie ein anderer Freundeskreis – wird sich vielleicht wieder neu ergeben, aber eines bleibt: Der Verstorbene wird im realen Leben des Hinterbliebenen abwesend bleiben. Beim Tod eines Ehepartners wird der Hinterbliebene plötzlich zum Witwer oder zur Witwe, was je nach Alter dramatische Auswirkungen auf die soziale Position des Betroffenen in seinem Umfeld hat. Beim Tod eines Kindes werden die Eltern zu verwaisten Eltern, denen immer ein Kind fehlen wird. Die vierköpfige Familie wird plötzlich zu einer ganz anderen Familie, die sich nie mehr vollständig fühlen wird. Die verwaisten Geschwister werden nie mehr in ihrem Leben einen Bruder oder eine Schwester haben, mit der sie zum Beispiel später für die Eltern sorgen können. Kinder, die einen Elternteil verlieren, werden auf Dauer ohne ihn auskommen und aufwachsen müssen.
Diese Veränderungen werden also bleiben, weil der geliebte Mensch nicht mehr kommen wird. Es bleibt ein Leben ohne den geliebten Menschen, so schwer und fremd dieses sich auch anfühlen mag. Wie wird dieses so anders gewordene, sich fremd anfühlende Leben wieder zu meinem Leben?
Es bleibt unbegreiflich, dass du nicht mehr lebst – und doch muss ich damit leben
Wir können und wollen nicht begreifen, dass der geliebte Mensch sterben musste und nun nicht mehr lebt. Unmittelbar nach seinem Verlust ist dieses Nicht-begreifen-Können sehr mächtig. Immer wenn wir begreifen wollen, dass der geliebte Mensch nicht mehrlebt, greifen wir ins Leere. Die Abwesenheit des geliebten Menschen ist zwar ständig mit Händen zu greifen, und dennoch begreift es unsere Seele nicht. Sie will und kann nicht glauben, was geschehen, und nicht fassen, warum es geschehen ist. Das Nicht-Sein des geliebten Menschen können wir uns nicht vorstellen. Wir können nur realisieren, dass es so ist, aber nicht wirklich verstehen, wie und warum es so ist. Unser Gehirn scheint ein »Nicht« nicht abbilden zu können, weil es sich von der Realität ein konkretes Bild machen muss.
Im Verlaufe der Trauerzeit müssen wir es aufgeben, den Tod und die Abwesenheit unseres geliebten Menschen begreifen zu wollen. Wir müssen realisieren, dass wir es nie ganz begreifen werden. Das ist zunächst ein Gewöhnungsprozess . Unser geliebter Mensch ist nicht mehr da – so ist es jetzt, ob ich es verstehe oder nicht. Ich finde mich notgedrungen damit ab. Es dauert oft lange, bis Hinterbliebene bewusst sagen können, dass es kein Begreifen des Todes und der Abwesenheit des geliebten Menschen gibt und dieses dennoch die eigene Realität ist. Diese Zustimmung zum Nicht-Begreifen des Unbegreiflichen lässt uns auch aushalten, vielleicht sogar auch achtend annehmen, dass der geliebte Mensch im Äußeren abwesend ist und bleiben wird. Wenn uns dieses
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