Meine Trauer geht - und du bleibst
plötzlich bewusst, dass mein geliebter Mensch dieses jetzt nicht erleben kann, dass er nicht dabei ist und dass ich es ihm nicht direkt erzählen kann.
Das Schöne schlägt plötzlich ins Tieftraurige um und wird vom Dunkel des Schmerzes getönt, auch deshalb, weil ich mit dem Tod meines geliebten Menschen erfahren habe, dass alles Schöne sein Ende hat, manchmal auch sein schreckliches Ende. Im Schönen blitzt immer die Endlichkeit und damit der Tod auf. In der unmittelbaren Gegenwart zeigt sich die Abwesenheit des geliebten Menschen. Das Schöne hat nun eine zweite Dimension, nämlich die des Schmerzes und der Trauer. Wir sollten diese Seite gelten lassen, weil sie nun zu unserem Erleben des Schönen gehört. Dieser Aspekt der Trauer wird nicht bei allem Schönen, wohl aber bei den intensivsten Erlebnissen aufbrechen. Dann könnten wir es als Impuls nehmen, im schmerzlichen Schönen an unseren geliebten Menschen zu denken und ihn in unser Fühlen hineinzunehmen. Er ist nun präsent und hat Teil am Erleben des Schönen. Das wiederum hat etwas eigenes Schönes und gibt meiner Beziehung zu meinem geliebten Menschen eine intensive Dichte, wie ich sie im Alltag sonst kaum mehr erleben kann. Das Schöne ist also nicht nur des Traurigen Anfang, sondern auch der Liebe Anfang, die ich für meinen geliebten Menschen in diesem dichten Moment jetzt spüre.
Meine Wehmut wird bleiben – sie erinnert mich immer wieder an dich
Auch wenn wir die Trauer ziehen lassen konnten, so hat sie die Stimmung unserer Seele doch verändert. Unsere Seele wurde insbesondere auf der unbewussten Ebene durch den Verlust und dieTrauer anders gestimmt. Es bleibt ein Mollton in den Tiefenschichten unserer Seele zurück, der an der Oberfläche nicht ständig präsent ist. Im Alltag können wir durchaus wieder lachen, wir können auch wieder fröhlich oder unbeschwert sein. Im Hintergrund bleibt aber sehr oft eine Stimmung, die wir am besten mit dem Wort »Wehmut« beschreiben können.
Sie ist eine »Verwandte« der Trauer, die jedoch viel feiner und zurückhaltender in meiner Seele wohnt als der Schmerz der Trauer. Immer wieder meldet sie sich ganz eigenständig in dem Gefühl, dass es »mir ums Herz wehe wird«. Es ist wie ein Anflug, wie ein Hauch von Schmerz, der mich wie mit einem feinen Schleier umfängt. Wenn ich dann dem genauer nachspüre, dann weiß ich, woher dieser Hauch von Wehmut kommt: Es ist das Fehlen meines geliebten Menschen in meinem Leben. Oft spüre ich aber auch direkt, dass mir jetzt mein geliebter Mensch fehlt. Dann schmerzt es nun nicht mehr bohrend und hämmernd wie in der Anfangszeit, sondern in Form der leisen Wehmut und des Gefühls des Missens. Die Wehmut hat dabei auch eine Tendenz und eine innere Bewegung: Sie will mich zurück zur verlorenen Heimat und – im Falle eines Verlustes – zum geliebten Menschen führen. Das Ziehen, das wir in der Wehmut verspüren, richtet uns auf feine, sensible Weise auf unseren geliebten Menschen aus. Die Wehmut kann in dieser Welt nicht mehr gestillt werden, sie kann nur in der Begegnung mit dem geliebten Menschen zur Ruhe kommen.
Bleiben Sie offen für die feinen Stimmungen des Missens, des Sehnens und der Wehmut. Sie gehören zu der veränderten Grundstimmung Ihrer Seele und sie weisen Sie immer wieder auf Ihren geliebten Menschen hin.
Nehmen Sie die besonderen Gedenktage, aber auch das besonders Schöne zum Anlass, Ihre Wehmut zu spüren.
Gehen Sie Ihrer Wehmut und Ihrem Missen nach. Sie werden dann wieder Ihrem geliebten Menschen nahekommen und er Ihnen.
Kehren Sie dann auch bewusst wieder in Ihr eigenes Leben als Ihr Leben zurück. Sie dürfen es ganz und garleben, weil Sie wissen, dass Ihr Sehnen und Ihre Wehmut Sie in der Beziehung zu Ihrem geliebten Menschen halten werden – gerade und besonders auch im Schönen und Schönsten.
3. Du bist Teil meiner Seele – und deshalb in meinem Leben immer präsent
Trauernde: Meine Tochter ist immer mit bei mir im Klassenzimmer.
Trauerbegleiterin: Sie ist so etwas wie eine Hilfslehrerin?
Trauernde: Ja! Nein, eigentlich viel mehr. Sie spürt viel besser als ich, was meine Schülerinnen und Schüler brauchen.
Trauerbegleiterin: Dann ist sie einfühlsame Ratgeberin?
Trauernde: Ja, dann sehe ich sie neben mir, wie sie mich anschaut. Und dann weiß ich, was ich dieser Schülerin oder diesem Schüler sagen muss.
Trauerbegleiterin: Steht Ihre verstorbene Tochter Ihnen auch an anderer Stelle zur Seite?
Trauernde: Ja, oft ist Paula
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